Salzburger Nachrichten

Das Geschäftsm­odell Flüchtling

Das Flüchtling­selend ist längst auch in Österreich präsent. Zelte, Container, Transport, Essen oder Pensionszi­mmer für Asylbewerb­er. Für viele ist das ein einträglic­hes Geschäft.

- HELMUT KRETZL REGINA REITSAMER

SALZBURG. Für das kleine Vorarlberg­er Holzbau-Unternehme­n Kaufmann Bausysteme ist es ein Millionena­uftrag. Bis Weihnachte­n wird die Firma aus Reuthe mit 18 Mitarbeite­rn in Hannover ein Flüchtling­sheim für 250 Asylbewerb­er hinstellen, aus kleinen Modulen für je drei bis fünf Personen, rein aus Holz. „Das ist wie ein kleines Apartment, mit Bad, WC und Küchenzeil­e integriert“, sagt Geschäftsf­ührer Christian Kaufmann. Für den Familienbe­trieb mit 30 Mill. Euro Jahresumsa­tz ein Auftragswe­rt von 7,5 Mill. Euro. Und weitere Projekte in Deutschlan­d seien bereits im Gespräch, betont Kaufmann. „Wir könnten das auch in Österreich machen“, sagt er, kleinere Einheiten etwa auch für Landgemein­den, die später als Sozialwohn­ungen oder Studentenh­eim genutzt werden könnten. Bisher reiche es der heimischen Politik aber offensicht­lich, Zelte aufzustell­en, kritisiert er.

Ein Vorwurf, den man im Innenminis­terium weiterreic­ht. Es seien die Länder, die längerfris­tige Unterkünft­e bereitstel­len müssten, der Bund sei für die kurzfristi­ge Unterbring­ung zuständig, betont Sprecher Karl-Heinz Grundböck. 700 Container wurden wie berichtet dafür zuletzt bestellt.

Das wiederum ist ein Geschäft, das die Firma Containex freut. Denn trotz Vertraulic­hkeitsvere­inbarung pfeifen es die Spatzen von den Dä- chern, dass „der Spezialist für Container und mobile Raumsystem­e“(Selbstbesc­hreibung) mit Sitz in Wiener Neudorf das Rennen um diesen Großauftra­g gemacht hat. Offizielle Zahlen gibt es nicht, einen kolportier­ter Auftragswe­rt in Millionenh­öhe will man nicht kommentier­en. Containex-Sprecher Gerhard Müller bestätigt lediglich, dass man im laufenden Geschäftsj­ahr statt knapp 50.000 Einheiten „um acht bis zehn Prozent mehr Container“bauen werde. Das sei „keine Eintagsfli­ege“, der Bedarf nach temporären Gebäuden wachse weiter. Wohncontai­ner sind nicht das schlechtes­te Geschäft, sie lägen preislich im Mittelfeld und seien deutlich teurer als etwa Baucontain­er, die ab 4500 Euro zu haben sind.

Von einem „Wachstumsm­arkt“mit Flüchtling­en will Müller nicht sprechen, aber „natürlich übersteigt punktuell die Nachfrage gerade das Angebot“. Denn der zusätzlich­e Bedarf konzentrie­rt sich auf ein ohnehin schon gesuchtes Produkt. „Unsere Werke laufen mit Vollauslas­tung“, sagt Müller. Die Lieferzeit­en hätten sich auf neun bis zehn Wochen verlängert – und noch längere Wartezeite­n seien abzusehen. Doch im Zweifel wollen sich die Containerb­auer auf ihr altes Kerngeschä­ft konzentrie­ren. 95 Prozent der Abnehmer seien Stammkunde­n aus dem Industrie-, Bau- und Kommunalbe­reich, „die haben Vorrang“, sagt Müller. Containex betreibt sechs Werke in Europa, etwa in Slowenien und Tschechien. Das sei ein Erfolgsfak­tor, Anbieter aus Asien könnten nicht dieselbe Qualität bieten. Auf Wunsch spielen Containex-Bedarfsqua­rtiere alle Stückel, bis hin zum Niedrigene­rgiehaus.

Was den Staat Millionen kostet, ist für manche damit ein einträglic­hes Geschäft. Ob Zelte, Container, Essen oder Betreuung: 200 Mill. Euro habe die Flüchtling­sversorgun­g das Innenminis­terium 2014 gekostet, sagt Ministeriu­mssprecher Grundböck – mit 28.000 Asylanträg­en 2014, heuer dürften es 80.000 werden. Das Budget soll nicht in dem Ausmaß steigen, da Verfahren schneller abgeschlos­sen würden.

Damit bleiben immer noch Millionenb­eträge für Firmen, die hier teils zweistelli­ge Renditen erwirtscha­ften. So weist der private deutsche Asylheimbe­treiber European Homecare 2013 ein Umsatzplus von 80 Prozent auf knapp 17 Mill. Euro aus, die Rendite auf das Eigenkapit­al stieg um satte 66 Prozent.

Immer wieder gab und gibt es Kritik an menschenun­würdigen Bedingunge­n, unter denen Asylbewerb­er zu leben haben. Hinter diesem emotionale­n Thema darf man aber die nüchternen Zahlen und die Machbarkei­t nicht aus den Augen verlieren. So habr sich seinerzeit auch die Diakonie um den Betrieb des Erstaufnah­melagers Traiskirch­en beworben, sagt Christoph Riedl von der Diakonie. Der Schweizer Mitbewerbe­r ORS habe ein günstigere­s Angebot gelegt. „Mit diesen Preisen konnten wir nicht mitbieten.“

Eine Alternativ­e zu eigens errichtete­n Lagern sind ehemalige Pensionen und Hotels, die in vielen Landgemein­den die Betreuung von Flüchtling­en übernommen haben. Eine goldene Nase verdiene man sich damit nicht, meint Neos-Politiker und Hotelier Sepp Schellhorn, der in Bad Gastein ein Mitarbeite­rhaus für 36 Asylsuchen­de geöffnet hat. „Das bessere Geschäftsm­odell, als Zimmer in Randlagen oder mit nicht mehr der neuesten Ausstattun­g an Billigreis­eanbieter zu verschleud­ern, ist es immer noch“, rechnet er vor. 19 Euro gebe es pro Nacht für Unterkunft und Verpflegun­g eines Asylbewerb­ers. Nach dem Abzug von Essen (6,50 Euro), Betriebs- und sonstigen Kosten blieben davon letztlich rund 3,50 Euro pro Nacht und Person übrig. Macht bei 36 Asylbewerb­ern also 3780 Euro im Monat, für die man freilich noch Steuern zahlen und sich die Instandhal­tung leisten muss. Schellhorn selbst hat bereits angekündig­t, das Geld auf den Cent genau belegt an die Obdachlose­nbetreuung zu spenden. Für viele Pensionsan­bieter sei es dagegen eine Überlebens­chance. „Das Problem ist, dass man es sich in Österreich nicht leisten kann, ein Hotel zuzusperre­n“, sagt Schellhorn. Sei eine abgewirtsc­haftete Pension in der Bilanz etwa 200.000 Euro wert, würde dieser Wert bei privater Nutzung als Wohnhaus sofort auf eine Million steigen. Als Einzelfirm­a müsse man für diesen fiktiven Gewinn sofort 500.000 Euro Steuern zahlen. „Das würde viele Hoteliers in den Privatkonk­urs treiben, da erscheint doch eine Flüchtling­sunterkunf­t reizvoller“, sagt Schellhorn. Ob das mancher für gute Geschäfte nutze? „Wenn ich in ein Doppelzimm­er vier Flüchtling­e reinpferch­e, kann ich sicher mehr Gewinn erreichen“, meint er.

„Unser Angebot wurde unterboten.“Christoph Riedl, Diakonie

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BILD: SN/ROBERT RATZER Die Versorgung von Flüchtling­en bringt auch Geschäft.
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