Wer Hass postet, darf Watschen ernten
Als Lauser der letzten Reihe finde ich Hasspostings bei Weitem weniger anstrengend als alle die, die es immer nur gut meinen.
Es musste so kommen und nicht anders. Anders nämlich hätte bedeutet, dass jemand eine Haltung formuliert und eine Meinung vertritt. Und dann könnte diese Ansicht alles sein: deppert, rechtsradikal, linksextrem oder einfach nur keinen Sinn ergeben und keine Grundlage haben – nicht einmal kleinformatige Stammtische, allwissendes Wikipedia oder „Die Bunte“. Aber immerhin: Es wäre eine Meinung. Und der kann man entgegentreten. Und immerhin gäbe es dazu ein Gesicht und einen Namen. Darauf ließe sich aufbauen und reagieren mit der Faust der Gerechtigkeit und dem Schwert des Wortes. Aber der Mensch ist hinterhältig und rückgratlos. Und darum hat er auch so eine Freude am Internet.
Von dort wird berichtet, dass die Zahl der Hasspostings steigt und deshalb Anzeigen und Beschwerden rapid zunehmen – ja dass Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren, weil sie radikal gepostet haben. Wen das überrascht, der hat nicht mitbekommen, dass ja schön langsam jeder Depp Internet hat. Und – sagen wir im Vergleich zu einem Leserbrief mit Namen und Adresse – ist so ein Posting im Netz auch leicht erledigt. Für einen Leserbrief muss man Papier kaufen, einen Kugelschreiber bedienen können, fähig sein, ein Kuvert zu verschließen, und sogar wissen, wo das nächste Postamt liegt. Das ist schon ein bisserl viel verlangt. Da sind viele überfordert. Und auf die Rechtschreibung kommt es in einem Posting auch nicht unbedingt an. Es zählen Schnelligkeit und Gewalt des Ausdrucks. Und es ist ja auch schön, wenn jeder Depp seinen Senf zu allem abgeben kann. Ich halte das für demokratisch, auch wenn es schwerer wird, dies zu ertragen. Demokratie und mit ihr Meinungsfreiheit inkludieren, dass sich jeder für ein bequemes Leben in Dummheit entscheiden darf. Zum Beispiel der Mensch, der sich NobbiK nennt. NobbiK mag nie, was in dieser Kolumne steht. Zum echten Hassposter fehlt dann aber der Mut. Im Gegenteil. NobbiK gehört zu den ganz besonders Guten, zu den Aufpassern, zu den Korrektelnden. Jedes Mal, wenn ich ein Binnen-I nicht schreibe, hält NobbiK das für eine Kriegserklärung an die Gleichberechtigung (Ist NobbiK also eine Frau?). Wenn sich hier allerdings über alte, zu mächtige, notgeile Männer aufgeregt wird, rastet NobbiK auch aus (Sitzt er als Vorstand in einem Konzern? Ist er Politiker?). NobbiK formuliert in der Anonymität des Internets – als Nörgler, I-Tüpferlreiter, als Art Volkserzieher, ein Braver, den alles, was anders ist, stört. Er muss mich also unbedingt für sein Gegenteil halten. Ich bin gern schlimm, mag sarkastischen Unterton und blöde Witze und Leberkässemmerl. Kürzlich postete NobbiK, einst immer erste Schulreihe oder?, es sei darauf zu bestehen, dass an „gewisser Zucht und Ordnung festzuhalten ist“und „alles andere gehört weg“und ich sei bloß „respektlos gegenüber solcher Meinung“. Ich, als der Lauser aus der letzten Reihe, kann nicht anders, als das als Kompliment zu verstehen.