Gefangen in der Jugendfalle
Erwachsen werden sie später: Ben Stiller und Naomi Watts kämpfen in „Gefühlt Mitte Zwanzig“mit einem allgegenwärtigen Lebensgefühl.
WIEN. Die einen kriegen noch im letzten Moment ein Kind, die anderen kaufen ein teures Auto oder beginnen endlich die ersehnte Gärtnerausbildung: Das Eingeständnis, nicht mehr jung zu sein, führt zu unterschiedlichen Reaktionen. Im Kinofilm „Gefühlt Mitte Zwanzig“verschiebt ein New Yorker Paar alle großen Lebensentscheidungen auf später. Josh (Ben Stiller) ist Dokumentarfilmer und unterrichtet an der Uni, Cornelia (Naomi Watts) arbeitet in einem Verlag. Beide sind sie Mitte vierzig. Wenn sie wollten, könnten sie spontan jederzeit nach Paris fliegen. Es ist eigentlich alles hervorragend. Aber tatsächlich sitzen die beiden in ihrer Großstadtwohnung wie gelähmt vor all den Entscheidungsmöglichkeiten.
Er murkst seit acht Jahren an einem Herzensprojekt herum, sie fühlt sich als einzige Kinderlose ins Eck gedrängt von ihren besten Freundinnen, die ihre Nachmittage bei Babyturnen und Kindersingen verbringen. Da begegnet den beiden ein junges Paar Mitte zwanzig: Jamie (Adam Driver, demnächst in „Star Wars Episode VII“) macht ebenfalls Filme, seine Frau Darby (Amanda Seyfried) produziert handgemachte Bio-Eiscreme. Die beiden sind begeisterte Nutzer von Analogmedien, setzen Tablets echtes Papier entgegen, halten sogar ein lebendiges Huhn als RetroHaustier. Cornelia schwärmt gegenüber einer Freundin: „Die haben all die Sachen, die wir vor Jahrzehnten hinausgeschmissen haben – und bei denen sieht das cool aus!“
Josh und Cornelia sind begeisterte Digitalnutzer, lesen E-Bücher und verwenden WhatsApp, während der junge Jamie Brettspiele spielt, eine umfangreiche Schallplattensammlung besitzt und stolz kundtut, nicht bei Facebook zu sein.
Regisseur Noah Baumbach beobachtet mit scharfem Blick die Vertreter zweier Generationen: die jungen kreativen Hipster, die ihre Liebe zum Analogen mit musealer Sorg- falt pflegen und nebenbei mit größter Selbstverständlichkeit digitale Werkzeuge nutzen. Und die älteren Berufsjugendlichen, die mit zunehmender Verbissenheit und digitaler Dauerunterstützung einer vermeintlichen Spontaneität nachhetzen, die sie längst verloren haben.
Schade aber, dass „Gefühlt Mitte Zwanzig“etwa ab der Hälfte vom Generationenporträt zur spezifischen Geschichte wird: Jamie arbeitet an einer Doku, ohne sich allzu große Sorgen um journalistische Ethik zu machen, während Josh ihm bereitwillig Know-how und Kontakte zur Verfügung stellt, an seinem eigenen Filmprojekt aber zu scheitern droht.
Plötzlich geht es nicht mehr um zwei Paare mit unterschiedlichen Zugängen zum Erwachsenwerden, sondern um Joshs Filmemacherego, das sich von Jamie in beruflicher und zunehmend auch privater Hinsicht ins Eck gedrängt fühlt. Die beiden Frauen werden da schnell zum Accessoire im Konkurrenzkampf. Rückschlüsse auf sein eigenes Leben wehrt Regisseur Noah Baumbach in Interviews ab: Wenn überhaupt, könne er sich eher mit dem jüngeren Jamie identifizieren, sagt er, obwohl er selbst 45 Jahre alt ist und liiert mit der um vierzehn Jahre jüngeren Greta Gerwig („Frances Ha“).
„Gefühlt Mitte Zwanzig“beginnt vielversprechend, wird aber unversöhnlich und mündet schließlich in die banalste aller Pointen. Die Männer, die zwar älter, aber nicht erwachsen werden, die anstrengenden Peter-Pan-Syndrom-geplagten Väter und Onkel sind ewiges Komödienmotiv: Von der unvermeidli- chen scharfzüngigen Ehefrau zur Räson gezwungen, verseuchen sie seit Generationen Vorabendfernsehen und Familienkino. Noah Baumbachs Film scheint das Potenzial zu einer differenzierten Antwort auf dieses Motiv zu haben. Doch geworden ist es nur ein aufwendiges Egodrama mit Schlenker in die Gesellschaftskritik.
Film: Gefühlt Mitte Zwanzig, Komödie, USA 2014. Regie: Noah Baumbach. Mit Ben Stiller, Naomi Watts, Amanda Seyfried, Adam Driver. Start: 31. Juli.