Niemand ist in Rumänien mehr unantastbar
Die politische Elite empört sich über die konsequente Justiz: Das Land sei unregierbar geworden.
Rumänien hat sich zu einem der Vorreiter des Kampfes gegen Korruption in Mittel- und Südosteuropa entwickelt. Fast täglich werden Politiker, Beamte und Geschäftsleute zu Verhören abgeführt, sitzen einst Unberührbare in UHaft oder stehen unter Hausarrest – egal ob sie zum Regierungslager oder zur Opposition gehören.
Dass die Ermittler buchstäblich vor niemanden mehr haltmachen, bekommt auch Victor Ponta zu spüren, Rumäniens Ministerpräsident und Chef der wendekommunistischen Sozialdemokratischen Partei PSD – einer Partei, die seit vielen Jahren Inbegriff für Korruption ist. Die Antikorruptionsanwaltschaft (DNA) ermittelt gegen Ponta wegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung. Zwar kann sich der Regierungschef noch hinter seiner parlamentarischen Immunität verschanzen, aber die Öffentlichkeit stellt staunend fest: Das Gesetz gilt auch für die Reichen und Mächtigen.
Unter allen früheren osteuropäischen EU-Beitrittskandidaten galt Rumänien als das korrupteste Land. Bevor es 2007 der EU beitreten konnte, musste es ein ambitioniertes Programm für den Kampf gegen Korruption vorlegen. Ex-Staatspräsident Traian Basescu, der von 2004 bis 2014 amtierte, schuf gegen große Widerstände der Elite die Grundlagen dazu: Er unterstützte eine umfassende Justizreform.
Zugleich gab es immer einen politischen Beigeschmack: So wurden Ermittlungen gegen manche Schützlinge von Basescu oder verschiedener Regierungen verschleppt. Immer wieder dienten Veröffentlichungen von Ermittlungsakten oder Abhörprotokollen als politische Waffen. Doch der Kampf gegen die Korruption entfal- tete eine Eigendynamik. Die Behörden konnten sich von politischer Einflussnahme immer mehr befreien, vor allem die Antikorruptionsanwaltschaft, die seit 2013 von ExGeneralstaatsanwältin Laura Codruta Kövesi geleitet wird. Seit ihrem Amtsantritt ist die Zahl der Verfahren und Verurteilungen auf Rekordwerte gestiegen. Zugleich wuchs das Vertrauen der Bevölkerung. Die DNA zählt zu den besonders glaubwürdigen Institutionen.
Die Wahl des ehemaligen Bürgermeisters von Hermannstadt, Klaus Johannis, zum Staatspräsidenten im November 2014 gab dem Kampf gegen Korruption einen zusätzlichen Impuls: Johannis gilt als einer der wenigen tatsächlich unbestechlichen Politiker.
Wie unbeirrbar ein beträchtlicher Teil der rumänischen Justiz inzwischen agiert, ist an der Reaktion der politischen Elite abzulesen. Vertreter aller Parteien empören sich darüber, dass Rumänien unregierbar geworden sei. Selbst Ex-Staatschef Traian Basescu wird es zu viel. Er wettert gegen die „Schwächung des Staates durch Staatsanwälte und Richter“. Kein Wunder: Im Februar wurde seine engste politische Vertraute verhaftet, die ehemalige Tourismusministerin Elena Udrea, die seit Jahren unter Korruptionsverdacht steht – aber unantastbar schien.