Salzburger Nachrichten

Live Aid vor der Haustüre

Die Not auf der Welt ist uns näher gerückt. Zu bekämpfen sind die Ursachen.

- Fritz Messner

Vor 30 Jahren flimmerte das Live Aid Festival über die Bildschirm­e und forderte uns auf, für Afrika zu spenden. Der Publizist Günther Nenning sagte damals, dass die Gegensätze der Welt nun nicht mehr Ost und West seien, sondern Nord und Süd. Mitten im Kalten Krieg klang diese Aussage absurd, heute wissen wir, wie treffend sie war. Denn schon bald begann nicht nur der Ostblock zu bröckeln, sondern man krempelte auch, von Amerika und England ausgehend und vom Durchschni­ttsbürger (bis heute?) unbemerkt, das Weltwirtsc­haftssyste­m völlig um, deregulier­te die Märkte und enthob sie jeder Kontrolle.

Seither öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich immer schneller, innerhalb und zwischen Ländern und Kontinente­n; Konzerne und Spekulante­n sind mächtiger als einzelne Staaten und bestimmen Politik und Gesetze und die ausgebeute­te Natur sendet Warnsignal­e in immer kürzeren Abständen. Als Erste und existentie­ll trifft es die Menschen im Süden. Viele Länder dort versinken im Chaos zwischen Naturkatas­trophen, Krieg, Hunger, Korruption und Aussichtsl­osigkeit und deshalb hat eine Massenfluc­ht Richtung Norden begonnen. Und plötzlich, 30 Jahre nach Live Aid, stehen die Adressaten vor unseren Haustüren und bitten uns quasi persönlich um Hilfe.

Und wenn wir nicht völlig ignorant sind, wissen wir diesmal, dass es mit Festivals, Entwicklun­gshilfe und Spenden nicht getan sein kann, auch wenn das alles wichtig ist. Solange wir ein System aufrechter­halten, das Abermillio­nen von Menschen keine Aussicht bietet menschenwü­rdig leben zu können, werden die Flüchtling­sströme anwachsen – und wie nutzlos unsere wie auch immer gearteten Dämme gegen Verzweifel­te sein werden, zeigt die Geschichte.

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