Live Aid vor der Haustüre
Die Not auf der Welt ist uns näher gerückt. Zu bekämpfen sind die Ursachen.
Vor 30 Jahren flimmerte das Live Aid Festival über die Bildschirme und forderte uns auf, für Afrika zu spenden. Der Publizist Günther Nenning sagte damals, dass die Gegensätze der Welt nun nicht mehr Ost und West seien, sondern Nord und Süd. Mitten im Kalten Krieg klang diese Aussage absurd, heute wissen wir, wie treffend sie war. Denn schon bald begann nicht nur der Ostblock zu bröckeln, sondern man krempelte auch, von Amerika und England ausgehend und vom Durchschnittsbürger (bis heute?) unbemerkt, das Weltwirtschaftssystem völlig um, deregulierte die Märkte und enthob sie jeder Kontrolle.
Seither öffnet sich die Schere zwischen Arm und Reich immer schneller, innerhalb und zwischen Ländern und Kontinenten; Konzerne und Spekulanten sind mächtiger als einzelne Staaten und bestimmen Politik und Gesetze und die ausgebeutete Natur sendet Warnsignale in immer kürzeren Abständen. Als Erste und existentiell trifft es die Menschen im Süden. Viele Länder dort versinken im Chaos zwischen Naturkatastrophen, Krieg, Hunger, Korruption und Aussichtslosigkeit und deshalb hat eine Massenflucht Richtung Norden begonnen. Und plötzlich, 30 Jahre nach Live Aid, stehen die Adressaten vor unseren Haustüren und bitten uns quasi persönlich um Hilfe.
Und wenn wir nicht völlig ignorant sind, wissen wir diesmal, dass es mit Festivals, Entwicklungshilfe und Spenden nicht getan sein kann, auch wenn das alles wichtig ist. Solange wir ein System aufrechterhalten, das Abermillionen von Menschen keine Aussicht bietet menschenwürdig leben zu können, werden die Flüchtlingsströme anwachsen – und wie nutzlos unsere wie auch immer gearteten Dämme gegen Verzweifelte sein werden, zeigt die Geschichte.