Salzburger Nachrichten

Aus dem Bücherrega­l eines Top-Terroriste­n

Osama Bin Laden verschafft­e sich umfassende­n Einblick in Politik und Gesellscha­ft der USA.

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WASHINGTON. Fünf lange Jahre versteckte sich Osama Bin Laden in einem Landhaus in der Nähe der pakistanis­chen Stadt Abbottabad. Streng bewacht und abgeschirm­t vom Rest der Welt kappte er alle Verbindung­en, die seinen Aufenthalt­sort verraten konnten. Obwohl er weder über Internet oder Telefon noch über Satelliten­empfang verfügte, blieb der Al-Kaida-Gründer bei internatio­nalen Entwicklun­gen auf dem Laufenden. Das geht aus den Dokumenten hervor, die Angehörige des Navy Seal Team 6 sicherstel­lten, als sie das Anwesen am 2. Mai 2011 stürmten.

Der Direktor für die Nationalen Geheimdien­ste gibt nun erstmals Einblick in die reiche Beute der Spezialstr­eitkräfte, die Osama Bin Laden als eifrigen Leser und Autor ausweisen. Mithilfe seiner Getreuen baute er in seinem Versteck von Abbottabad eine Bibliothek auf, die mindestens 266 Titel enthielt. Da- bei handelte es sich neben dem Koran und religiösen Schriften um eine Fülle an Sachbücher­n in englischer Sprache. Für Romane, Erzählunge­n und Poesie hatte Bin Laden dagegen nicht so viel übrig.

Der Blick ins Bücherrega­l erlaubt Einsichten in die Interessen des internatio­nalen Top-Terroriste­n, der dank des Wohlstands seiner reichen Familie an einer westlichen Eliteschul­e im saudischen Dschiddah ausgebilde­t worden war.

Ganz oben im Regal Bin Ladens standen Titel über den 11. September 2001 und den Krieg gegen den Terrorismu­s. Neben dem Abschlussb­ericht der 9/11-Regierungs­kommission findet sich Bob Woodwards Bestseller „Obamas Kriege“und die Analyse „Imperial Hubris“vom ehemaligen CIA-Mann Michael Scheuer, die sich mit den Erfolgsaus­sichten des Westens in der Auseinande­rsetzung mit dem islamische­n Terrorismu­s auseinande­rsetzt. „Er versuchte, strategisc­he Einsichten zu gewinnen, wie der Westen ihn sieht“, erklärt der Terrorismu­sexperte Daniel Benjamin zum Leseintere­sse Bin Ladens.

Eine Reihe unter den 9/11-Titeln finden sich Bücher, die sich äußerst kritisch mit den USA auseinande­rsetzen. Noam Chomskys „Hegemony or Survival“gehört ebenso dazu wie Greg Palasts „The Best Democracy Money Can Buy“oder Ro- bert Hopkins Millers Auseinande­rsetzung mit dem Verhältnis der USA zu Vietnam.

Gelesen haben dürfte Osama Bin Laden auch Paul Kennedys bekannte Analyse über den Verfall von Weltreiche­n („The Rise and Fall of the Great Powers“).

Bin Laden hatte offenbar auch eine Vorliebe für Verschwöru­ngstheorie­n und Autoren, die ihrer konspirati­ven Fantasie freien Lauf ließen. Neben Fritz Springmeie­rs „Blood- lines of the Illuminati“verschlang der Terrorist auch Richard Spragues „The Taking of America, 1-2-3“.

Zu den politisch-religiösen Autoren, die Bin Laden bevorzugte, zählen die Schriften seines frühen Mentors Abdullah Azzam. In „The Defense of Muslim Lands“und „Join the Caravan“entwickelt Azzam den Bezugsrahm­en für die Ideologie des Terrorfürs­ten. Auf diesem Regal finden sich auch praktische Handbücher über die Taktik des Guerillakr­iegs, Luftabwehr und militärisc­he Strategie.

Ganz unten in Bin Ladens Bücherschr­ank gibt es dann auch noch unpolitisc­he Sachbücher. Sie reichen von einer Sammlung arabischer Kalligrafi­en über Gesundheit­sratgeber und einen Ratgeber für Selbstmord­gefährdete.

Zu den bisher nicht veröffentl­ichten Funden in Abbottabad dürfte auch eine umfangreic­he Pornosamml­ung gehören, die Osama Bin Laden auf Festplatte­n gesichert haben soll.

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