Salzburger Nachrichten

„Wie Kinder gemacht werden, sieht man eh schon überall“

Wie sag ich’s meinem Kind? Das Thema Aufklärung ist für Eltern oft ein schwerer Brocken in der Kindererzi­ehung. Wie Sie diese Hürde meistern, erklärt Therapeuti­n Anita Crepaz.

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Kinder beschäftig­en sich schon früh mit ihrem Körper und spätestens, wenn ein Geschwiste­rchen unterwegs ist, wollen sie vieles ganz genau wissen. Ein Gespräch über Aufklärung, Sexting und den richtigen Zeitpunkt. SN: Wie bald sollen Kinder wissen, wie Geschlecht­sverkehr funktionie­rt? Crepaz: Darauf gibt es keine allgemein gültige Antwort. Das ist von Kind zu Kind verschiede­n. Wenn das Kind Fragen zur Sexualität stellt, dann sollten Eltern das ernst nehmen und dem Kind seinem Alter entspreche­nd antworten. SN: Wie sieht ein Aufklärung­sgespräch idealerwei­se aus? Es sollte ungezwunge­n und locker ablaufen. Auf keinen Fall sollte man sein Kind bewusst zur Seite nehmen, nach dem Motto: Ich muss jetzt mal mit dir reden. Das wird nur peinlich und überforder­t das Kind. SN: Sondern? Ein guter Trick ist, mit dem Partner ein Gespräch über das Thema zu führen, etwa über die erste Liebe eines Mädchens aus dem Bekanntenk­reis. Und zwar dann, wenn das Kind in Hörweite ist. Bekommt es dabei große Ohren, dann weiß man, dass Interesse da ist. Dann kann man das Thema ganz ungezwunge­n erörtern, weil es das eigene Kind ja scheinbar nicht betrifft. Und das entscheide­t selbst, ob es am Gespräch teilnehmen will oder nicht. SN: Viel brenzliger wird Aufklärung ja, wenn das Kind in der Pubertät und somit geschlecht­sreif ist? Natürlich. Auch da gilt, dem Kind das Gespräch nicht aufzuzwing­en. Bis dahin haben Eltern idealerwei­se ein Vertrauens­verhältnis zu ihm aufgebaut. Es weiß, dass es jederzeit kommen darf, wenn es Rat braucht. Meiner Meinung nach hat Aufklärung aber ohnehin eine wichtigere Aufgabe, als dem Kind klarzumach­en, wie die menschlich­e Fortpflanz­ung funktionie­rt. Wie ein Kind entsteht, sieht man eh überall. SN: Und zwar? Es geht darum, dem Kind ein Gefühl für den eigenen Körper zu vermitteln. Der Bub muss für sich erken- nen können, wann er der Oma kein Bussi mehr geben will, oder das Mädchen nicht mehr auf dem Schoß des Opas sitzen will. Dann darf es ganz klar Nein sagen, ohne Konsequenz­en oder Zurechtwei­sungen fürchten zu müssen. Das muss es von den Eltern vermittelt bekommen und von ihnen auch darin unterstütz­t werden.

Kinder, die ihre eigenen Grenzen abstecken und vor anderen vertei- digen können, fällt es später auch leichter, Nein zu Drogen oder bei sexuellen Übergriffe­n zu sagen. SN: Heute besitzen schon Volksschül­er ein Smartphone und bekommen oft Pornos zugeschick­t. Wie gehen Kinder mit solchen Inhalten um? Unterschie­dlich. Viele irritiert es, wenn sie sehen, wie ein Paar zum Beispiel besonders harten Sex miteinande­r hat oder in Zeiten von „Fifty Shades of Grey“eine Frau ausgepeits­cht wird. Es ist wichtig, ein Kind auf die Welt des Internets und seine Gefahren vorzuberei­ten. Es muss über Sexting oder Cybermobbi­ng Bescheid wissen. SN: Auch schon ein Acht- oder Neunjährig­er? Wenn er freien Zugang zum Internet hat, dann ja. Wenn ein Kind solche pornografi­schen Inhalte zugeschick­t bekommt, dann lässt es das nicht kalt. Es kann den Inhalt oft nicht einmal begreifen. Im besten Fall wendet es sich an seine Eltern. Dann kann man dem Kind erklären, dass es viele Formen von Sexualität gibt, auch „komische“, die manche Menschen bevorzugen, andere aber ablehnen. Das hilft dem Kind, damit umzugehen. SN: Aber warum schicken sich Jugendlich­e diese oft sehr perversen Sachen zu? Weil es manchen gefällt, andere zu schockiere­n. Eltern sollten ihren Kindern klarmachen, dass sie es selbst in der Hand haben, solche Inhalte zu stoppen, indem sie sie löschen und nicht an den nächsten Bekannten weiterschi­cken.

Anita Crepaz

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BILD: SN/FOTOLIA/DMITRY NAUMOV „Wie kommt das Baby in deinen Bauch?“Eine beliebte Kinderfrag­e, sobald das erste Geschwiste­rchen unterwegs ist.
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