Der Körper plaudert es aus
Walter Samuel Bartussek hält Seminare zur Körpersprache. Durch seine Arbeit als Pantomime weiß er, was der Körper stumm erzählt. ZUR PERSON
Walter Samuel Bartussek ist Professor am Bruckner Konservatorium in Linz und Pantomime. Er hat biotechnische Elektrotechnik an der TU Graz studiert, sich dann jedoch für die künstlerische Arbeit entschieden. Bartussek ist 64 Jahre alt und lebt in Gmunden am Traunsee, hat aber auch ein Studio in Wien. Im Herbst beginnt Bartussek mit einem Diplomlehrgang am WIFI Wien zum Thema „Mimosonanz“– eine Wortschöpfung aus Pantomime und Resonanz. In acht Modulen innerhalb von zwei Jahren will er den Teilnehmern Fähigkeiten vermitteln, wie sie „von Bauch zu Bauch“mit anderen kommunizieren und dabei Lösungsansätze für Probleme finden können. Eine wichtige Präsentation vor der ganzen Abteilung: Der Chef sieht einen fragend an, die Hände zittern, die Stimme bricht. Der Körper spricht das aus, was der Geist verbergen will – die Unsicherheit, die Zweifel.
Walter Samuel Bartussek weiß über den Körper und seine Sprache Bescheid. Er ist Pantomime. Nach seinem Studium der biotechnischen Elektrotechnik an der Technischen Universität Graz hat er sich für die Arbeit mit dem Körper entschieden. Die Begründung für diesen eigenwilligen Weg: „Ich konnte spüren, dass das meine Berufung ist“, sagt der 64-Jährige.
Eine Ausbildung als Pantomime gibt es in Österreich nicht. Bartussek hatte im Kellertheater in Graz gespielt und ist schließlich bei dem Künstler Rolf Scharre in die Lehre gegangen. Scharre zeigte ihm, wie Pantomime sich schminken und auch die Illusionstechniken: die unsichtbare Glaswand, gehen auf der Stelle, ziehen an einem unsichtbaren Seil oder auch Wein trinken aus einem unsichtbaren Glas. Bereits während der Ausbildung sprang Bartussek für Scharre an der Oper Graz ein: Er spielte den Harlekin in „Die Meistersinger von Nürnberg“. Bartusseks Karriere startete jedoch mit einem unglaublichen Projekt. 1980 spielte er ohne Worte im Carinthischen Sommer Don Quijote – ein Buch mit 1000 Seiten, zahlreichen Charakteren und unzähligen Buchstaben. Die großartigste Erfahrung machte Bartussek auf den Philippinen. Auf einem Fußballfeld war eine Bühne aufgestellt, „ich sah nur noch schwarze Wuschelköpfe“. Am Rand des Feldes saßen die Mädchen und Buben auf den Bäumen – „wie Früchte reif zum Pflücken, damit sie mich noch sehen konnten“, sagt Bartussek. Sein Freund Wim van Zutphen begleitete ihn dabei auf dem Piano. Nun lehrt Bartussek am Bruckner Konservatorium in Linz und gibt Seminare zur Körpersprache für Geschäftsleute.
Was uns wieder zur wichtigen Präsentation bringt. Die Wörter sprudeln teils unverständlich aus dem Mund, die Hände fuchteln in der Luft. Was rät der Pantomime, was führt zum Erfolg?
„Es gibt das Lager der Körpersprachentrainer, die Tricks vermitteln – doch dazu gehöre ich nicht“, betont Bartussek. Breitbeinig hinstellen, Arme geöffnet vor dem Körper: Am Äußerlichen herumtüfteln bringe nur kurzfristig etwas. „Für drei Minuten ist das hilfreich, dann macht mein Körper schon wieder etwas anderes.“Es helfe nichts, eine Rolle zu spielen. Man soll authentisch wirken.
Doch wie bitte soll man zu sich selbst stehen, wenn der Körper vor Unsicherheit zittert? „Mein Weg geht von innen nach außen. Ich frage die Menschen, wovor sie eigentlich Angst haben.“Der Persönlichkeitsprozess beginne damit, dass man seine Ängste ausspricht, das schlimmstmögliche Szenario bestimmt. „Es ist mit der Erkenntnis verbunden, dass ich nicht sterbe, dass ich auch im schlimmsten Szenario weiterlebe“, sagt Bartussek.
Seine Seminare sollen den Teilnehmern helfen, sich ihrer selbst bewusst zu werden. Die Workshops dauern meist einen Tag. Selbstfindung innerhalb von acht Stunden? „Das reicht freilich nicht aus“, sagt Bartussek und spricht weiter über sein Lieblingsthema – die Zeit. „Man kann keinem Apfelkern in einem Crashkurs beibringen, wie er ein Baum wird. Wir können uns auf den Kopf stellen und auf den Boden stampfen – es dauert einfach.“
Wir haben also das Sprechen über die Ängste und die Zeit, die wir uns lassen sollten. Doch wenn im Hier und Jetzt die Stichwortkärtchen in den Händen zittern, braucht der Vortragende schnelle Hilfe. Bartussek hat keine Tricks, die für alle schwitzenden Präsentatoren gleichermaßen gelten, dafür aber Tipps: Wieder fallen dabei die Wörter Bewusstsein und spüren. „Beobachten Sie Ihren eigenen Atem, erlauben Sie, dass er langsamer und tiefer wird“, sagt er. „Spüren Sie den Boden unter Ihren Füßen und beobachten Sie, welche Muskeln Sie zu sehr anspannen.“
Den anderen ausreden lassen, Blickkontakt aufrecht halten und nicht emotional werden – die Tipps klingen relativ naheliegend. Doch sie sind schwierig umzusetzen: „Gerade die Emotionalität ist geprägt von Kindheitserinnerungen, die unser Verhalten bestimmen“, sagt Bartussek. Er rät seinen Seminarteilnehmern den Satz „Ich werde wütend, wenn . . .“zu vervollständigen. „Das hilft, Verhaltensmuster zu erkennen und etwas daran zu ändern.“
Bei der Kleidung sollen die Vortragenden einer Präsentation auf sich selbst hören. „Frauen ziehen etwa gern High Heels an, um bei den Männern gut anzukommen“, sagt Bartussek. Das sei durchaus berechtigt, aber wenn dabei die Zehen gequetscht werden, habe das den gegenteiligen Effekt. „Es ist wichtig, dass es eine bewusste Entscheidung ist – man darf nicht Sklave seiner Verhaltensmuster sein“, betont er. Dennoch: Der Pantomime rät, nicht in Jogginghosen zum Meeting zu gehen. „Überall, wo wir hinkommen, sind wir Gast. Als Gast gehört es dazu, sich der Rituale und Gepflogenheiten anzupassen.“
Eine Botschaft ist Bartussek besonders wichtig. „Es gibt keinen Lügendetektor Körpersprache, jedes Signal ist immer mehrdeutig.“Sich an die Nase fassen, rot werden, sich räuspern sind alles Zeichen, die vieles bedeuten können. „Das Gegenüber kann sich schämen, unsicher fühlen oder peinlich berührt sein.“Verschränkte Arme deuten nicht immer auf einen verschlossenen Typ hin. Es könne dem Menschen einfach kalt sein, oder die Haltung könne gemütlich sein. „In meinen Seminaren sitzen die Teilnehmer oft mit verschränkten Armen da – weil sie alles aufsaugen, sich zurückhalten.“Eine verschlossene Tür sehe immer gleich aus, egal ob sie Leute nicht hinein- oder hinauslassen soll. Nach Bartussek gibt es nur eines, das die Körpersprache entschlüsselt: „Bewusst hinschauen, bewusst nachfragen.“