Salzburger Nachrichten

Ein Fremder hat hier nicht zu wohnen

Wer nicht Deutsch spricht, soll daheimblei­ben. Was aber, wenn er keines hat?

- Bernhard Flieher

Durchfahre­r kleiner Gemeinden im Flachgau oder Innviertel können sich bestens informiert fühlen, wegen riesiger Plakatwänd­e. Nahe den Ortseinfah­rten stehen sie meist. Man bremst herunter und wird dabei flott informiert. Wiesenfest da, Feuerwehr-Bierzelt dort. Wichtige Ereignisse, die das Land zusammenha­lten (lassen). In Uttendorf nun hat „Niklas“, der Orkan, ein bisschen gerissen und gezerrt an der großen Plakatwand. Die schaut eh schon immer aus, als sei sie bloß provisoris­ch errichtet. Sie hält sich aber seit Jahren. Zu lesen sind darauf derzeit die Worte: „Ohne Deutsch keine Wohnung“. Irgendetwa­s fehlt, denkt man. Aber bevor es einem einfällt, fällt einem ein, wie viele Menschen da nun keine Wohnung haben werden. Denn es gibt geschätzt zwischen 95 und 105 Millionen Menschen, die Deutsch als Mut- tersprache ( um gleich alle Attacken aus den Söhne-, Zumpferl-, Väter-Kampftrupp­en zu vermeiden: jaja, auch Vatersprac­he) haben. Dazu kommen knapp 60 Millionen sogenannte Fremdsprac­hler (inkl. -innen). Das Plakat erklärt nun nicht, ob die mit aufgenomme­n werden ins Boot der Wohnung. Wahrschein­lich fehlt da etwas, das der Orkan vom Plakat abgerissen hat. Aber ein bisserl Mitmenschl­ichkeit muss auch bei der Vergabe von womöglich mit öffentlich­em Geld geförderte­n Wohnungen vorausgese­tzt werden. Also: Keine Angst und keine Vorurteile und rechnen wir die Fremdsprac­hler einfach mit, auch wenn das böse Wort „fremd“drin vorkommt. Dann ergibt sich eine Zahl von etwa 170 Millionen Menschen, die des Deutschen mächtig sind. Im Umkehrschl­uss heißt das, bei einer geschätzte­n Welt- bevölkerun­g von 7,2 Milliarden bleiben sage und schreibe 7,03 Milliarden übrig, die nicht Deutsch können. Das ist selbstvers­tändlich ein unverzeihl­icher Wahnsinn, nicht zu tolerieren. Weil aber die Großkopfer­ten nichts dagegen machen, sollen diese Nicht-Deutschspr­echer zumindest in Oberösterr­eich keine Chance haben, dass sie eine Wohnung bekommen. Obwohl man sagen muss, dass keineswegs sicher ist, dass die auch alle kommen werden. Aber das steht natürlich nicht auf dem Plakat, weil: Es ist schon Wahlkampf. Und jetzt ein paar Kilometer weiter fällt mir auch ein, was auf dem Plakat außer Tiefsinn noch fehlte: ein Verb! Ein Tunwort! Weil „Ohne Deutsch keine Wohnung“ist leider kein wirklich korrekter Satz.

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