Salzburger Nachrichten

Ist Österreich noch reformierb­ar? – Eher nicht

Wie SPÖ, ÖVP und FPÖ die Aussichten auf Reformen beurteilen, zeigt das neue „Jahrbuch für Politik“.

-

WIEN. Wie reformierb­ar ist Österreich? Diese Frage hat das neue „Jahrbuch für Politik 2014“je einem prominente­n Vertreter der drei Mittelpart­eien gestellt. Die Antworten fallen recht ernüchtern­d aus.

Reformen seien nötig, aber nicht um ihrer selbst willen, schreibt SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Denn Reformen um ihrer selbst willen wären nur „die populistis­che Reaktion auf die Rufe nach mehr Reformbere­itschaft“. Für richtig und notwendig hält Schieder ausschließ­lich Reformen, die den sozialen Ausgleich verbessern. Inhalt und Erfolg von Reformen sind für ihn an der Frage zu messen, wie viel mehr Gerechtigk­eit sie in die Gesellscha­ft bringen. Andernfall­s laufe die Politik Gefahr, das Vertrauen der Bevölkerun­g zu verlieren, schreibt Schieder, der als große Zukunftsho­ffnung der SPÖ gilt.

Sein Fazit lautet: „Inhaltlich wird es künftig weiterhin darum gehen, das Modell einer gerechten Gesellscha­ft mit Aufstiegsc­hancen für alle umzusetzen.“Als Beispiel für gelungene Reformen nennt er etwa die Gratiszahn­spange.

ÖVP-Staatssekr­etär Harald Mahrer ortet in seinem Beitrag eine pessimisti­sche Stimmung im Land und soziale Abstiegsän­gste in einem immer größeren Teil der Bevölkerun­g. Deshalb würden Reformen weithin als Bedrohung empfunden und seien entspreche­nd schwer durchzuset­zen. Dabei wären Reformen etwa im Pensionssy­stem unbedingt notwendig, um die Zukunft zu sichern, schreibt Mahrer. Mit bloßer Umverteilu­ng, wie es SPÖ und FPÖ wollen, sei es nicht getan.

Die ÖVP möchte der Staatssekr­etär als „moderate Veränderun­gspartei“positionie­ren. Reformen hält er dann für durchsetzb­ar, wenn man die Bürger verstärkt in die politische­n Entscheidu­ngen einbindet. „Wer eingebunde­n ist, übernimmt Verantwort­ung. Wer Verantwort­ung übernimmt, realisiert den Reformbeda­rf“, schreibt Mahrer.

Das Beispiel der Schweiz zeige, dass direkte Demokratie zu einem sparsamere­n Staat führe. Denn der Einzelne gehe mit dem Geld sorgsamer um, als der Staat es tue. Konkret schlägt Mahrer vor, dass die Steuerzahl­er einen Teil ihres Steuergeld­es zweckwidme­n können.

Die Frage, wie reformierb­ar Österreich sei, treibe ihm reflexarti­g ein „Gar nicht“auf die Lippen, bekennt FPÖ-Volksanwal­t Peter Fichtenbau­er in seinem Beitrag. Die Schuld gibt er der Parteienhe­rrschaft von SPÖ und ÖVP, die vor allem über die Kammern mit ihrer Pflichtmit­gliedschaf­t ausgeübt werde. Diese demokratis­ch nicht legitimier­te Sozialpart­nerschaft läh- me jede Reformarbe­it. Als zweite Reformbrem­se nennt Fichtenbau­er die Landeshaup­tleute.

Als Lösung schlägt der FPÖVolksan­walt eine zeitlich begrenzte Konzentrat­ionsregier­ung vor. Wenn alle Parteien in der Regierung vertreten wären, könnten Reformen leichter durchgeset­zt werden. Um Blockaden zu vermeiden, sollte das Einstimmig­keitsprinz­ip im Ministerra­t aufgehoben werden. Sowohl in der Regierung als auch im Parlament wäre dann ein freies Spiel der Kräfte mit wechselnde­n Mehrheiten möglich. Das erleichter­e Reformen. Als Begleitmaß­nahme fordert Fichtenbau­er ein Ende der Kammer-Pflichtmit­gliedschaf­ten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria