Worum geht’s im Atomstreit?
Seit zwölf Jahren wird diskutiert, ob und in welchem Ausmaß Teheran Uran anreichern darf. Die strittigen Punkte im Überblick.
Wieder nichts. Die Atomverhandlungen zwischen der 5+1-Gruppe (den fünf UNO-Vetomächten plus Deutschland) und dem Iran im schweizerischen Lausanne haben auch in der Verlängerung keinen Durchbruch gebracht. Bis Ende Juni soll eine Einigung stehen. Was dem im Weg steht:
1.
Die 5+1-Gruppe will verhindern, dass Teheran Uran auf bis zu 90 Prozent anreichert und damit atomwaffenfähiges Spaltmaterial erhält. Die Gewinnung des für die Kernspaltung notwendigen Uran-235 ist aufwendig, weil es sich dabei um eine äußerst seltene Spielart des radioaktiven Elements Uran handelt. Es kommt in Natururan nur zu 0,7 Prozent vor. Zusätzliche Erschwernis: Da sich Uran-235 nicht chemisch vom häufigen Uran-238 trennen lässt, braucht man komplizierte mechanische Methoden, um es in konzentrierter Form zu gewinnen. Dabei nutzt man das unterschiedliche Gewicht der Atome aus. Die häufigste Anreicherungsmethode ist das Gaszentrifugenverfahren. Verkürzt gesagt wird das gewonnene Uranerz zunächst gereinigt, anschließend in einen gasförmigen Zustand gebracht und danach geschleudert. Die Zentrifugalkräfte sorgen dafür, dass sich das schwerere Uran-238 an der Außenwand anreichert und die Konzentration des leichteren Uran-235 in der Mitte ansteigt. Ein zweiter Weg zur Bombe führt über die Produktion von Plutonium. Das giftige Schwermetall kommt in der Natur nur in Spuren vor, fällt aber beim Betrieb eines Schwerwasserreaktors an, wie der Iran ihn in Arak baut.
2.
Die technische Infrastruktur der Nuklearanlagen im Iran muss nach Vorstellung der 5+1 so zugeschnitten sein, dass der Iran bei einem Vertragsbruch oder nach einem Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) mindestens ein Jahr brauchen würde, eine Atombombe zu bauen. Je länger diese „Ausbruchszeit“, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass solche Schritte entdeckt würden. Deshalb will Washington dem Iran künftig maximal 6000 Zentrifugen älterer Bauart zugestehen, und dies nur noch in oberirdischen Anlagen, die rund um die Uhr von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) überwacht werden. Ursprünglich wollte der Iran sämtliche seiner Zentrifugen behalten. Derzeit sind von rund 20.000 etwa 10.000 in Betrieb. Nun ist der Iran bereit, auf 9000 zu reduzieren. Das genügt den Verhandlungspartnern nicht.
3.
Während der Iran für die Dauer der Gültigkeit eines umfassenden Atomabkommens acht Jahre vorgeschlagen hat, wollen die USA die atomaren Fähigkeiten der Islamischen Republik für 20 Jahre eingeschränkt und Kontrollen unterworfen sehen. Als möglicher Kompro- miss ist eine Gültigkeitsdauer von zehn Jahren im Gespräch.
4.
Wann die gegen Teheran verhängten Sanktionen gelockert werden, ist eine der heikelsten Fragen. Während Teheran eine sofortige Aufhebung fordert, will der Westen, allen voran die USA, nur eine schrittweise Aufhebung zugestehen. Nach Vorstellung der US-Regierung sollen die Sanktionen vorerst suspendiert und später beendet werden. Die US-Republikaner, die beide Häuser im Kongress beherrschen, haben dagegen mit der Verhängung neuer Sanktionen gegen Teheran gedroht und sich gegen Präsident Barack Obama gestellt. Dieser hat angekündigt, gegen etwaige derartige Beschlüsse des Kongresses sein Veto einzulegen.
5.
Ein Hauptproblem in den Verhandlungen ist, dass die Verhandlungspartner einander zutiefst misstrauen – begründet: Es besteht der Verdacht, dass die iranische Führung ihr nach den Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrags erlaubtes ziviles Nuklearprogramm zur verbotenen Entwicklung von Atomwaffen nutzt. Der Verdacht entstand erstmals 2003, als bekannt wurde, dass Teheran seit 1986 ein Programm zur Anreicherung von Uran betrieben hatte – in unterirdischen Anlagen und unter Geheimhaltung vor der für die Überwachung des Atomwaffensperrvertrags zuständigen Internationalen Atomenergiebehörde. Nicht die Urananreicherung, sondern die Geheimhaltung war ein Verstoß des Irans gegen Bestimmungen des NPT. Seitdem sind weitere Verdachtsmomente hinzugekommen – darunter Sprengzündertests auf der geheimen Militäranlage Parchin, zu der Teheran den Inspekteuren der IAEO den Zugang verweigert. Da sich die Verdachtsmomente nicht aufklären ließen, überwies die IAEO die Angelegenheit 2006 an den UNO-Sicherheitsrat.
Uran-235 – begehrt und verwehrt Zeitpuffer und Zentrifugen Ein Abkommen mit Ablaufdatum Die Sache mit den Sanktionen Das fehlende Vertrauen