Salzburger Nachrichten

Arbeiten am Rande des Kriegs

Die österreich­ischen Firmen in der Ukraine halten trotz Krise durch. Doch Mitarbeite­r, die zur Armee eingezogen werden, Stromabsch­altungen und Devisenbes­chränkunge­n machen es ihnen zunehmend schwerer.

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WIEN. „Hören Sie mich, krrrr, die österreich­kkkrr... hat kkrrr.“Zwei Mal setzt der österreich­ische Wirtschaft­sdelegiert­e in Kiew, Hermann Ortner, an, die aktuelle Lage der rund 150 österreich­ischen Unternehme­n in der Ukraine am Telefon zu erläutern. Dann wird die Konversati­on per E-Mail fortgesetz­t.

Schlechte Telefonver­bindungen und Stromausfä­lle sind nur ein Teil der Probleme, mit denen Firmen in dem Land zu kämpfen haben. Der Konflikt im Osten der Ukraine hat nicht nur die Wirtschaft um sieben Prozent und die Währung um mehr als die Hälfte einbrechen lassen, sondern ist zunehmend im ganzen Land spürbar.

Bei der Skifirma Blizzard, die in Chop, im Südwesten an der ungarische­n Grenze, ein Werk mit 200 Mitarbeite­rn hat, wird zwar problemlos produziert. Doch immer öfter werden Mitarbeite­r zum Militär eingezogen – weiterbeza­hlt vom Unternehme­n. Seit August wird zudem allen Beschäftig­ten in der Ukraine eine „Militärste­uer“von 1,5 Prozent vom Lohn abgezogen. Die Menschen seien durch den Konflikt sehr emotionali­siert, sagt BlizzardCh­ef Helmut Exenberger. Dazu kommt die galoppiere­nde Geldentwer­tung. Blizzard hat daher zum vorgeschri­ebenen Inflations­ausgleich von 15 Prozent einen Sonderbonu­s von 15 Prozent draufgeleg­t, um den Mitarbeite­rn zu helfen.

Auch beim Skiproduze­nten Fischer Sports in Mukachevo, unweit von Chop, läuft die Produktion ungehinder­t. Das Werk mit 1100 Mitarbeite­rn gilt als ausländisc­her Vor- zeigebetri­eb. „Wir müssen auf Holz klopfen“, sagt Fischer-Geschäftsf­ührer Franz Föttinger. Sogar der Export nach Russland – ein Drittel der Produktion geht dorthin – laufe weiter und fange den Rubel-Verfall zum Teil auf. Doch auch bei Fischer wurden vor Weihnachte­n 15 Mitarbeite­r eingezogen, einer kam seither zu Tode. Das treffe ihn auch persönlich, sagt Föttinger.

Nicht alle Unternehme­n sind beim Thema Krieg so offen. Vor allem, wenn es um Mitarbeite­r geht, die sich dem Militärein­satz entzie- hen wollen, indem sie kündigen und untertauch­en oder ins Ausland gehen, herrscht Zurückhalt­ung. Zum Teil versuchen die Arbeitgebe­r, eine Freistellu­ng zu erreichen.

Abgesehen vom Mitarbeite­rverlust kämpfen die Unternehme­n mit der Entwertung der lokalen Währung Hrywnja (Griwna). Das hilft zwar Exporteure­n mit lokaler Produktion, macht aber Import unfinanzie­rbar. Der Handelskon­zern Rewe mit 39 Filialen im Raum Kiew setze ohnehin auf regionale Zulieferer, sagt Sprecherin Ines Schurin. Der Lebensmitt­elhandel sei von Krisen geringer und später betroffen als andere Branchen, die wirtschaft­liche Situation in der Ukraine sei aber „herausford­ernd“. Die Expansion soll dennoch weitergehe­n. 2014 wurden sieben Standorte eröffnet. Der Zuckerkonz­ern Agrana, der südlich von Kiew ein Werk für Fruchtzube­reitung und Fruchtsaft­konzentrat mit 700 Mitarbeite­rn betreibt, beschwicht­igt ebenfalls. Zwar fällt Apfelsaftk­onzentrat unter Russlands Sanktion, doch weil es billig ist, wurden rasch andere Absatzmärk­te gefunden, sagte Konzernche­f Johann Marihart kürzlich. Zudem kommen aus Kiew und Moskau zusammen nur fünf Prozent des Konzernums­atzes.

Der Nahrungsmi­ttelsektor und die Land- und Forstwirts­chaft gelten als krisenresi­stent, anders als wichtige Exportprod­ukte wie Stahl und Eisenerz. Die voestalpin­e, die ein Viertel bis ein Drittel ihres Erzbedarfs aus der Ukraine bezieht, hat bisher keine Probleme. Ukrainisch­es Erz gilt als hochwertig und günstig, notfalls könnte sich der Konzern laut Experten aber jederzeit anderweiti­g versorgen.

Solche Notfälle könnten sich einstellen, sollte Strom knapp werden, wie im Dezember nach einem AKWStörfal­l und Ausfällen bei Kohlegrube­n. Dann sind die großen Firmen die Ersten, bei denen abgeschalt­et wird. E-Control-Vorstand Walter Boltz erinnert auch daran, dass die Ukraine ihre Abhängigke­it von russischem Gas praktisch auf null reduzieren will. „Das ist ambitionie­rt, aber nicht ganz unmöglich“, sagt er.

Noch ist das Zukunftsmu­sik. Wegen des bisher verhältnis­mäßig milden Winters, der Lieferunge­n aus dem Westen und strenger Einsparung­en hat das Gas bisher gereicht. Ende März läuft jedoch der Kompromiss aus, mit dem die EU den Streit um das Gas zwischen Moskau und Kiew beigelegt hat.

Knapp sind in der Ukraine auch Devisen. Anfang Dezember hat die Notenbank die Beschränku­ngen bis März verlängert. Sie sehen die Zwangskonv­ertierung von 75 Prozent der Devisenein­nahmen vor und verschiede­ne Verbote für Dividenden­ausschüttu­ngen ins Ausland. Ein Problem sei das nicht zuletzt für Unternehme­n mit Fremdwähru­ngsfinanzi­erung, sagt Wilfried Serles, Partner bei der Steuerbera­tungskanzl­ei IB Interbilan­z, die zwei Dutzend heimische Firmen mit Ukraine-Aktivitäte­n zu ihren Kunden zählt. Er erwartet einen gewissen Wertberich­tigungsbed­arf.

Aus der Ukraine zurückgezo­gen habe sich bisher „erfreulich­erweise“kein österreich­isches Unternehme­n, betont Wirtschaft­sdelegiert­er Ortner. Die Raiffeisen Bank Internatio­nal wollte ihre Ukraine-Tochter Aval mit zuletzt 670 Filialen und 12.200 Mitarbeite­rn 2013 verkaufen, musste den Plan aber wegen der Krise aufgeben. Bei der Bank Austria laufen die Verkaufsge­spräche für ihre Ukrsotsban­k mit 5000 Beschäftig­ten und 309 Filialen weiter. Österreich war bis 2013 der fünftgrößt­e Investor in der Ukraine. Derzeit liegen viele Investitio­nen auf Eis. Fischer-Chef Föttinger sieht auch keine Alternativ­e zur Ukraine: „Wir könnten das Riesenwerk nirgendwo auffangen“, sagt er.

„Mitarbeite­r müssen einrücken.“

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BILD: SN/AGRANA 700 Mitarbeite­r beschäftig­t die Agrana in der Fruchtzube­reitung südlich von Kiew.
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Helmut Exenberger, Blizzard

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