Zogen Eltern mit ihren fünf Kindern in den Dschihad?
Ein Österreicher soll sich mit seiner ganzen Familie dem IS in Syrien angeschlossen haben. Interpol fahndet weltweit. Auf Spurensuche in der alten Heimat, einer 1650-Seelen-Gemeinde.
Wettmannstätten ist eine beschauliche Gemeinde in der Steiermark. 1650 Menschen leben in dem Ort im Bezirk Deutschlandsberg. Seit 19. Dezember sind es sieben Personen weniger. Dem Tag, als Enes S., seine Frau Michaela und ihre fünf Kinder verschwanden.
Die Schwester von Michaela S. schlug knapp vor Weihnachten Alarm, wie der „Kurier“berichtet. Mittlerweile fahndet Interpol weltweit nach der Familie. Denn Enes S. soll mit seinen fünf Kindern im Alter von zwei bis 13 Jahren in den Dschihad nach Syrien gezogen sein.
In Wettmannstätten sitzt der Schock tief, wie Bürgermeister Helmut Kriegl (ÖVP) im SN-Gespräch erzählt: „Wir haben 20 Asylanten in unserem Ort. Die werden nun alle in einen Topf geworfen. Dabei haben die doch gar nichts damit zu tun. Die sind genau vor denen geflüchtet.“Mit „denen“ist der Islamische Staat (IS) gemeint, dem sich Enes S. angeschlossen haben soll. Der 35-Jährige mit bosnischen Wurzeln wurde in Bregenz geboren. Auch seine Frau ist eine gebürtige Österreicherin, konvertierte aber für ihren Mann zum Islam. Für den Verfassungsschutz ist Enes S. kein Unbekannter. Er soll zu einer Gruppe rund um den Hassprediger Ebu Tejma gehören, der derzeit in Graz in Haft sitzt. Zur Erinnerung: Ebu Tejma wird vorgeworfen, massiv Kämpfer für Syrien angeworben zu haben. Bei einer Großrazzia wurde er von der Polizei in Wien verhaftet. Wenige Tage danach verschwand die Familie S.
Dass sich die Familie radikalisiert hätte, sei in dem Ort niemandem aufgefallen. Auch nicht, als eine Tochter von S. einer Klassenkameradin Folgendes ins Stammbuch schrieb: „Ich will nach Mekka gehen und das Kopftuch tragen.“Das soll als Antwort auf die Frage „Was wünscht du dir für die Zukunft“zu lesen sein.
Bei der steirischen Polizei hält man sich zu dem Fall bedeckt. „Es handelt sich um laufende Ermittlungen. Dazu können wir nichts sagen“, erklärt Polizeisprecher Maxi- milian Ulrich. Bürgermeister Kriegl beschreibt die Familie als unauffällig. In einem Haus etwas außerhalb hätten sie gelebt. Vielen Journalisten hat Kriegl diese Geschichte an diesem Tag schon erzählen müssen. Vielleicht kann er sich darum auch so genau an den Tag erinnern, an dem S. nach Wettmannstätten kam: Am 3. Juli 2013 zog die Familie von Graz in den Ort. Graz gilt laut Verfassungsschützern als ein Zentrum, in dem es zu Radikalisierungen von potenziellen Dschihadisten in Österreich kommt. Ob es bei S. auch so war, bleibt fraglich.
Dass Kämpfer mit ihren ganzen Familien in den Dschihad ziehen, überrascht Experten nicht. „Es ist wichtig für die Moral der Männer, dass sie sich wohlfühlen. Nur dann sind sie bereit zu kämpfen“, erzählt ein Ermittler, der anonym bleiben will. Hinzu kommt, dass der IS bereit ist, Prämien für jedes neue Mitglied, das in den Dschihad zieht, zu zahlen. Auch für Kinder.
Immer wieder tauchen Fotos und Videos von Kindern auf, die mit Waffen posieren. Besonders schockierend ist ein Video, auf dem zu sehen war, wie ein kleiner Bub eine IS-Geisel vor laufender Kamera erschießt.