Warum eine Skitour Diskussionen auslöst
Im Internet hagelte es Beschimpfungen und Kritik nach einer Alpenvereinstour in der Steiermark. Der Hauptverband räumt Fehler ein, kritisiert aber auch die Art der Kommunikation.
Eine Alpenvereinsgruppe stieg mit 43 Tourengehern auf einen Berg. Im Internet gehen die Wogen hoch.
SALZBURG. Der zweitägige Skitourenausflug einer Pongauer Alpenvereinsgruppe nach Johnsbach in der Steiermark hat Folgen: Mehr als 40 Personen waren dabei – wie berichtet – im Gänsemarsch auf den Gipfel des Leobners (2036 Meter) gestiegen. Bei der Abfahrt lösten sie ein Schneebrett aus. Verschüttet wurde niemand. Die Alpinpolizei ermittelt nun, welche Gefahrenmomente tatsächlich vorlagen und ob möglicherweise Fahrlässigkeit im Spiel war.
Paul Sodamin ist staatlich geprüfter und behördlich autorisierter Berg- und Skiführer. Er war an diesem Wochenende ebenfalls in dem Gebiet unterwegs. „Es war ein Lawinenseminar mit sechs Personen“, sagte er. Es herrschte Warnstufe drei. „Da kann man schon eine Tour gehen“, sagt Sodamin.
Allerdings: „Solche Massenführungen haben im Gebirge nichts verloren. Auf dem Berg gibt es Standards wie im Autoverkehr. Und hier wurde alles falsch gemacht.“Abgesehen von der Gruppengröße hätten die Tourengeher auch die notwendigen Abstände nicht eingehalten. Eine Lawine hätte alle Mitglieder der Gruppe mitgerissen. „Da besteht Lebensgefahr für alle. Das hätte in einer Katastrophe enden können.“Sodamin machte Fotos und stellte sie ins Internet: „Man soll daraus etwas lernen.“Die Gruppe darauf anzusprechen sei nicht möglich gewesen. Er sei zu weit entfernt gewesen und hätte auch nicht hinterherlaufen können.
Die Haltung des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) ist indessen eindeutig: „Wir sehen das als klaren Fehler“, sagt Michael Larcher. Er ist Leiter der Abteilung Bergsport und arbeitet auch als Gerichtssachverständiger. In den vergangenen Tagen hat er fast ausschließlich Interviews zu dem Fall sowie Gespräche mit den Verantwortlichen in der Sektion und mit Mitgliedern geführt. Er betont: „Wir werden daraus lernen.“Im Internet gingen die Wogen hoch. Die Kommentare lauteten etwa: „Ein absoluter Albtraum“oder „Unfassbar!!!!! Dummheit auf Bildern!!“Im Hinblick darauf appelliert Larcher: „Wir bitten um Objektivität. Das kleine Schneebrett steht in keinem kausalen Zusammenhang mit der Gruppengröße. Das hätte auch ein einzelner Tourengeher auslösen können.“Einer kritischen Auseinandersetzung stehe der ÖAV offen gegenüber. „Bedenklich finden wir es allerdings, wenn diese Aufarbeitung zuallererst in den sozialen Me- dien passiert – was jede differenzierte Betrachtung bereits im Keim erstickt“, sagte Larcher.
Unabhängig davon entspreche so eine Tour aber nicht mehr dem Stil, der heute beim Alpenverein gepflegt werde. Durch Bildungs- und Bewusstseinsarbeit sei klar: Die Qualität liege in kleinen Gruppen. Der ÖAV rät Privaten zu einer Gruppengröße von vier bis sechs Personen, bei geführten Touren von acht Teilnehmern. „Eine zusätzliche Qualitätsempfehlung ist, dass nur Skitouren unternommen werden, die die Führer vorher privat schon gemacht haben und so auch mit dem Gelände vertraut sind.“Das war an diesem Wochenende der Fall. „Die Führer haben auch einen Lagebericht eingeholt. Alle Teilnehmer hatten eine Notfallausrüstung dabei.“In der Gruppe mit 43 Personen waren zehn ausgebildete Tourenführer. „Es wäre kein großer Aufwand gewesen, dabei Kleingruppen zu bilden – je nach Tempo und Leistung. Die Gruppen sind dann selbstständig im Gelände unterwegs und nicht im Gänsemarsch.“Mit den Verantwortlichen in der Sektion sei sofort das Gespräch gesucht worden. „Sie waren voll einsichtig“, sagt Larcher.
Der Österreichische Alpenverein hat 195 Sektionen, die jährlich Tausende Veranstaltungen anbieten. Heuer wird die Organisation eine halbe Million Mitglieder erreichen. Ski- oder Bergtouren seien das Herzstück des Vereins. Allerdings nicht aus wirtschaftlicher Sicht. „Vielmehr kosten sie die Sektionen Geld. Es ist maximal ein geringer Unkostenbeitrag fällig, der oft nicht einmal die Spesen der ehrenamtlichen Führer deckt“, erklärt Larcher.
Er hofft nun, dass die ganz Angelegenheit auch einen guten Aspekt hat und die Sicherheitsstandards noch stärker ins Bewusstsein rücken. Denn die Lawinensituation ist heuer sehr angespannt und selbst für erfahrene Profis schwer zu beurteilen.