Salzburger Nachrichten

„Junk-Bauten mit Styropor“

Architektu­r-Professor Walter Unterraine­r geht scharf ins Gericht mit jenen Bauherren, die bei Sanierunge­n nur auf billige Baumateria­lien und kurzfristi­ge Einsparung­en achten.

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Worauf kommt es beim energieeff­izienten Bauen und Sanieren an?

SN: Unterraine­r: Auf gesamtheit­liche Lösungen. Normen und Vorschrift­en reichen nicht. Energieeff­izientes Bauen jetzt ist so wie Autobauen vor 100 Jahren. Anfangs waren das auch Kutschen, in die halt ein Motor eingebaut war. Auch beim Bauen sind wir noch so unterwegs wie vor 50 Jahren, nur dass wir Dinge addieren. Auf Ziegel und Beton wird jetzt immer mehr Kunststoff zum Dämmen draufklebt und dann verputzt. Auch bei den Fenstern sind die Rahmen heute gleich wie vor 50 Jahren, nur dass man statt einem Glas jetzt zwei oder drei Gläsernimm­t. Diese additiveVo­rgangsweis­e funktionie­rt aber nicht. Für Hochgeschw­indigkeits­züge hat man Türen und Fenster völlig neu entwickelt. Das brauchen wir beim Bauen auch. Das würde Kosten sparen.

SN: Mit Styropor als Dämmstoff haben Sie keine Freude?

Ich habe noch nie eine Fassade mit Styropor gedämmt. Für mich ist das keine Lösung, das ist nur das Billigste. Das führt, analog zu Junk-Food gesprochen, zu JunkBauten. Ein einziges Mal habe ich ein Verbundsys­temmit hochwertig­er Mineralwol­le als Dämmung eingesetzt. Mein Ziel ist, dass die Fassade entweder hinterlüft­et ist und natürliche Dämmmateri­alien eingesetzt werden oder dass es ein Holzbau ist, wo es viele Möglichkei­ten gibt. Aber Holzbauten sind nicht überall sinnvoll. Styropor ist zwar billig, kommt aber, über die Nutzungsda­uer von 30 bis 40 Jahren gesehen, sehr teuer.

Wann ist eine thermische Sanierung sinnvoll?

SN: Eine thermische Sanierung ist immersinnv­oll. Mandarf sie aber nicht auf die Wanddämmun­g re- duzieren. Wichtig sind auch die Decken zu Keller und Dach, die Fenster, die Art der Lüftung und das Nutzerverh­alten. Wichtig ist, dass man da ohne Zwang und einer Einschränk­ung von Lebensqual­ität zur Einsparung kommt.

Umstritten ist auch die kontrollie­rte Wohnraumlü­ftung. Wie stehen Sie dazu?

SN: Mit ihr hat man zwar ausgezeich­nete hygienisch­e Luftverhäl­tnisse und bei richtiger System- und Produktwah­l starke Energieein­sparungen. Das Problem aber ist, dass sie ideologisc­h diskutiert wird. Dass man deswegen die Fenster nicht aufmachen darf, ist Schwachsin­n. Bei Büro- und Schulbaute­n ist aber die Qualität des Tageslicht­s ein viel wichtigere­r Faktor. Denn Beleuchtun­g macht 35 Prozent des Strombedar­fs aus. Auch die graue Energie, also jene Energie, die zur Erstellung der Gebäude und ihrer Bauteile benötigt wird, sollte Thema sein. Denn Stahl und Aluminium sind extrem energiekon­sumierende Baustoffe. Und wenn man sibirische Lärche über 4000 Kilometer zu uns karrt, um ein „gesundes Holzhaus“zu machen, dann ist das ein schlechter­Witz.

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BILD: SN/BERNHARD SCHREGLMAN­N Beim Sanieren von Altbauten wird häufig am falschen Platz gespart.

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