Wenn der Pop an der Philosophie scheitert
„Ich fühle Luft aus anderen Planeten“, singen Robert Stadlober und Andreas Spechtl, die in existenzialistischem Schwarz die Bühne betreten haben und die Bewegungen, die Gestik der beiden verraten: Narzissmus, Aufklärungszwang und Gekünsteltheit. Die Stimmung im Grazer Heimatsaal ist arty. Very arty. Der Schauspieler mit Banderfahrung und Popstarflair sowie der Sänger der Diskurspopband Ja, Panik gestalten mit dem deutschen Buchautor und Politiker Thomas Ebermann – der Vierte im Bunde, Kristof Scheuf, Journalist und Musiker (Kolossale Jugend) fehlte krankheitsbedingt – einen intellektuellen Männerabend, bei dem linkes Gedankengut aufflackert. Im Zentrum der Erörterungen: Herbert Marcuse, der Philosoph.
Was ein „Konzert-TheaterAbend der Hoffnung“hätte werden sollen, entpuppt sich leider als eitles Memorieren über einen, dessen Thesen der Kapitalismuskritik heute immer noch aktuell sind. Herbert Marcuse (1898–1979) war mit der vor einem halben Jahrhundert erschienenen systemkritischen Schrift „Der eindimensionale Mensch“weltbekannt geworden. Grund genug also, umdie darin analysierte Manipulation des Individuums durch den Konsum auf das Heute umzulegen. Nachzufragen, warum aus links mit der Zeit rechts werden kann. Und warum Informiertheit und Verblödung Hand in Hand gehen können. Aber reicht es nicht, ein Symposion über Marcuse und seine Thesen zu veranstalten? Seine Bücher zu lesen? Wer braucht von Sängern nachgespielte Marcuse-Dialoge imBühnennebel?
Einige Lieder aus der im steirischen herbst uraufgeführten Produktion „Der eindimensionale Mensch wird 50“haben zweifellos Qualität und ziehen in den Bann. Vielleicht wäre eine CD das optimale Format gewesen. Der Abend mit den eingespielten Bild- und Tondokumenten des in die USA emigrierten Philosophen, der einNaturrecht auf Widerstand eingeräumt hatte, ist insgesamt zuweihevoll, zu lasch, zu selbstverliebt, zu lang. Zu wenig befriedigend aus popkultureller Sicht, zu inhaltsleer für ein philosophisch versiertes Publikum. Das Starprinzip wirkt dennoch: kräftiger Applaus im Heimatsaal. Willkommen in der von Marcuse beschriebenen „Hölle der Gesellschaft im Überfluss“.