Die NATO vertraut auf eine Doppelstrategie
Atlantische Allianz setzt ein Signal der Stärke gegenüber Moskau, will aber den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat sich skeptisch zu der Einigung auf eine Waffenruhe im Ukraine-Konflikt geäußert. „Was jetzt zählt, ist eine klare Umsetzung in guter Absicht“, sagte Rasmussen am Freitag zum Abschluss desNATO-Gipfels imwalisischenNewport.
Angela Merkel hält nichts von politischem Säbelrasseln und von martialischer Rhetorik. Die kam schon vor dem NATO-Gipfel vor allem aus dem Baltikum. „Russland befindet sich im Grunde in einem Kriegszustand mit Europa“, erklärte etwa die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaitė.
Die deutsche Bundeskanzlerin ist nach Wales gekommen, um dazu beizutragen, dass genau das nicht passiert. Mit der schnellen Eingreif- truppe für Krisensituationen, die am Freitag von der NATO beschlossen worden ist, ist sie einverstanden. Auch mit verstärkten Manövern und der Luftraumüberwachung über dem Baltikum, an der die Deutsche Bundeswehr seitMontag mit sechs Eurofightern beteiligt ist.
Die Balten und Polen wollen aber weit mehr, eine Aufkündigung der NATO-Russland-Akte von 1997 zum Beispiel. Das würde die Durchtrennung des Gesprächsfadens nach Moskau bedeuten. Für Merkel kommt das nicht infrage. Härte und Entschlossenheit zeigen mit Sanktionen, aber gleichzeitig offen sein für Gespräche – „diese Doppelstrategie ist aus meiner Sicht der Schlüssel zum Erfolg“, sagtMerkel.
In Newport setzt sich diese Doppelstrategie durch. Dies auch deshalb, weil der ukrainische Präsident Petro Poroschenko schon am Donnerstag unter den Teilnehmern Zuversicht verbreitete, dass es bald zu einer Einigung über einen Waffenstillstand in der Ostukraine kommen könnte.
Am Freitag ist es so weit: In Minsk wird eine entsprechende Vereinbarung getroffen – kurz be- vor der NATO-Gipfel zu Ende geht. Für Merkel endet damit eine der wichtigsten außenpolitischen Wochen ihrer Amtszeit zufriedenstellend. Begonnen hatte sie am Montag mit einem Ja zuWaffenlieferungen an die Kurden im Irak für den Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS). Merkel hatte zu- vor noch nie eine Entscheidung für einen Eingriff in einen kriegerischen Konflikt getroffen. Das Engagement soll fortgesetzt werden. Beim NATO-Gipfel schmiedete Deutschland gemeinsam mit zehn weiteren Staaten eine Allianz gegen den IS. Forderungen, die über Waffenlieferungen hinausgehen, wurden anMerkel nicht herangetragen.
Der polnische Regierungschef Donald Tusk hat die Ergebnisse des NATO-Gipfels in Newport als Durchbruch und neue Qualität des Bündnisses bezeichnet. „Das ist ein Signal, dass die Sicherheitsgarantien derNATO für Polen nicht mehr nur auf dem Papier stehen, sondern zu praktischen Garantien werden“, sagte er am Freitag in Warschau. Dieses Signal könne „auch unser Nachbar im Osten“– nämlich die Russische Föderation – nicht ignorieren.