„Ich will ein selbstbewusstes Parlament“
Ist sie bloß eine Handlangerin des Kanzlers? Ist das Parlament bloß eine Durchwinkmaschine für die Regierung? Doris Bures rückt in ihrem ersten Interview als Nationalratspräsidentin einiges zurecht.
Überparteilichkeit und Unabhängigkeit seien entscheidend für ihr neues Amt, sagt Doris Bures. Doch aus ihrer Gesinnung werde sie auch weiterhin kein Hehl machen.
Sie haben bei IhrerWahl auch Stimmen von derOpposition bekommen. Dennoch gab es Kritik amUmstand, dass Siedie Wunschkandidatin des Bundeskanzlerswaren. Wie wollen Sie den Eindruck zerstreuen, eine Handlangerin Werner Faymanns zu sein?
SN: Bures: Ich habe in all meinen politischen Funktionen bewiesen, dass ich eine sehr eigenständig agierende Politikerin bin. Außerdem hat mich nicht nur der Parteivorsitzende für meine neue Funktion vorgeschlagen, auch die SPÖ-Gremien haben sich für meine Kandidatur ausgesprochen.
SN: Sie sind aber tatsächlich eine langjährige politische Weggefährtindes Bundeskanzlers.
Ich bin davon überzeugt, dass in der Politik menschliche Beziehungen eine objektive Amtsführung nicht ausschließen. Man kann gleichzeitig objektiv sein und Freunde haben. Ich würde also bitten, mich an meinen Taten zu messen. Es gilt, was ich bereits in meinerAntrittsrede gesagt habe: Ich betrachte Überparteilichkeit und Unabhängigkeit als entscheidend für meinAmt.
SN: Das bedeutet aber nicht, dass Sie aus der SPÖausgetreten sind?
Bundespräsident Heinz Fischer hat stets die Meinung vertreten, dass auch ein Präsident eine politische Heimat haben darf. Im Übrigen glaube ich, dass es gut ist, wenn man gefestigte Werte hat. Ich bin Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und werde diese Mitgliedschaft auch nicht ruhend stellen. Eine Demokratie lebt von politischen Parteien. Ich werde aus meiner Gesinnung und meinen politischen Einstellungen kein Hehl machen. Das wird sich aber gut verbinden lassen mit dem Ziel, als Nationalratspräsidentin überparteilich zu agieren.
SN: DemParlament wird mitunter der Vorwurf gemacht, eine Durchwinkmaschine für Regierungsvorlagen zu sein. Sehen Siedas auch so? Wollen Sie es ändern?
Die letzten drei Präsidenten – von Heinz Fischer über Andreas Khol bis zu Barbara Prammer – haben nach Kräften daran gearbeitet, ein immer selbstbewussteres Parlament zu schaffen. Diesen Weg möchte ich fortsetzen. Auch mir geht es darum, das Selbstbewusstsein des Parlaments und der Abgeordneten zu heben. Darüber hinaus ist es wesentlich, den Ruf und das Ansehen des Parlaments zu stärken.
Das ändert nichts daran, dass sich die Regierungmöglichst wenigStörung vom Parlament erwartet.
SN: Es gilt zu beachten, dass es zum Prinzip unseres politischen Systems gehört, dass die Regierung von einer Mehrheit im Parlament getragen wird.
Sie sagten eben, Sie wollten das Ansehen des Parlaments stärken. Heißt das, dass Sie hier Nachholbedarf erkennen?
SN: Das liegt wohl auf der Hand. Ich kann als langjährige Abgeordnete konstatieren, dass die meisten Mandatare, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit und Weltanschauung, hart arbeiten. Und damit einen wesentlichen Beitrag für die Demokratie leisten. Ihr Ruf ist viel schlechter, als es der Realität entspricht. Ich wünsche mir eine kritische Auseinandersetzung mit der Arbeit des Parlaments. Verächtlichmachung und permanentes Misstrauen gegenüber Menschen, die sich politisch engagieren, lehne ich aber ab. Hier gibt es eine Grenze, die viel zu oft überschritten wird.
Sie wollen also einen besseren Umgangston im Parlament?
SN: Es ist nicht nur eine Frage des Tons. Oder eine Diskussion darüber, ob irgendjemand einen Klamauk im Plenum inszeniert. Es geht um viel Grundsätzlicheres. Nämlich: Welche Rolle haben Parteien, und welche Rolle habenMenschen, die sich in Parteien organisieren?
Ich stelle diese Frage nicht nur, weil ich davon überzeugt bin, dass die meisten Nationalratsabgeordneten ehrlich darum bemüht sind, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Sondern auch, weil ich die Gefahr sehe, dass wir irgendwann in einer Gesellschaft leben, in der sich gar niemand engagiert. Weder in NGOs noch bei der freiwilligen Feuerwehr oder bei der Caritas und natürlich auch nicht in der Politik. Das wäre nicht gut für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.
Das Parlament soll laut Verfassung die Regierung kontrollieren. Doch kann das Parlament derzeit überhaupt auf Augenhöhe mit der Regierung agieren? Beispielsweise was seineMitarbeiter und seine Ressourcen betrifft?
SN: Es gab in den vergangenen Jahren Verbesserungen, und wir werden diesen Weg weitergehen. Als ich 1990 als junge Abgeordnete ins Parlament gekommenbin, hatte ich gar keine Ressourcen. Keine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, nichts. Erst Jahre danach sind die Grundlagen für parlamentarische Mitarbei- ter geschaffen worden. Wir werden diese Grundlagen weiter stärken, wir werden dafür sorgen, dass die Parlamentarier ihrer Kontrollfunktion nachkommen können.
SN: Derzeit kann dieOpposition, die jadie Hauptlast dieser Kontrolle trägt, noch nicht einmal Untersuchungsausschüsse einsetzen.
Das soll sich ändern. Es ist vereinbart, dass bis Herbst die entsprechenden Vorschläge in den Klubs diskutiert werden. Dabei bleibt es. SN: DieRegierung, der damals auch Sie angehört haben, hat vor einigen Jahren vorgeschlagen, das Parlament
zu verkleinern. Stehen Sie noch zu diesemVorschlag?
Es gab damals nicht nur die Idee, das Parlament zu verkleinern. Es ging auch um die Verkleinerung der Regierung und um eine Reform des Bundesrats. Die Hauptfrage ist aber: Wie kann man einwirkliches lebendiges und arbeitendes Parlament sein, welche Ressourcen braucht man dazu? Das ist nicht von der Zahl der Köpfe abhängig, sondern von den Rahmenbedingungen. Ich will den Parlamentarismus stärken, nicht schwächen. Ich will aber nicht einen Tag nach meinem Amtsantritt bereits konkrete Ansagen machen, wie viel Geld oder Personal dazu notwendig ist.
Als sich amDienstag die neue Regierung den Abgeordneten vorstellte, herrschte auf der Regierungsbank eine konstruktive Stimmung. Bleibt’s dabei oder werden bald wieder die Hackeln fliegen?
SN: Ich bin keine Prophetin, aber ich bin eine Optimistin. Daher bin ich zuversichtlich und hoffe, dass mit dieserNeuaufstellung der Sand, der bisher im Getriebe war, beseitigt wurde. Es ist wichtig, dass wir in der Politik konkurrierende Meinungen haben und diese auch engagiert austauschen. Wir müssen aber damit aufhören, jeden Kompromiss als Schwächezeichen zu denunzieren. Im Gegenteil, der Kompromiss ist ein wesentliches Element der Willensbildung. Wir müssen auch aufhören, uns stets nur mit Misstrauen zu begegnen. Ich wünsche mir mehr Grundvertrauen und Respekt im Umgang miteinander.
In Polen soll die bisherige ParlamentspräsidentinRegierungschefin werden. Wäre das etwas für Sie?
SN: Jede Funktion, die mir anvertraut wurde, habe ich mit hundertprozentiger Konzentration wahrgenommen. Ich gehe also nicht in eine Funktion mit dem Hintergedanken, dass es sich nur um eine Zwischenstation handelt. Fürmich ist es eine große Ehre und Auszeichnung, dass ich zur Nationalratspräsidentin gewählt wurde, und ich werde dieses Amt mit großem Engagement und mit großer Leidenschaft wahrnehmen. Ich schiele auf keine andere Funktion. SN: Dann erspare ich mir die Frage, obSiedienächste SPÖBundespräsidentschaftskandidatin sein werden. Vielen Dank.