Die lange Nacht der verlorenen Dinge
Opernball. Vom Handy bis zur Zahnprothese: Im Fundbüro der Oper ist man bereits gespannt, was in der diesjährigen Ballnacht verloren geht.
WIEN (SN). Alles Walzer – und nichts, was im Laufe einer langen Ballnacht nicht verloren gehen könnte. Von A wie Abendhandtäschchen bis Z wie Zylinder reichen die Objekte, die ihren Besitzern beim Opernball abhanden kommen. Es waren aber auch schon Ballkleider unter den Fundstücken. Und eine Zahnprothese.
Wenn der Ball heute Abend eröffnet ist, geht für Edith VoglsangSprunk und ihr Team das jährliche Suchspiel los. Seit 20 Jahren betreut sie das Fundbüro am Opernball. Im Gewusel der mehr als 5000 Gäste bleibt so manches liegen. Alles, was an diesem Abend vergessen oder verloren wird, landet in Voglsang-Sprunks Händen. „Es ist ganz unterschiedlich, bei uns werden viele Orden, Broschen und in letzter Zeit vor allem Handys abgegeben“, sagt Voglsang-Sprunk. Zu den Klassikern zählten Handschuhe, Schals und Abendhandtaschen. „Die Leute tanzen, stellen ihre Tasche in eine Ecke und vergessen sie.“
Zu späterer Stunde seien es vor allem Zylinder und sogar Kleider, die zurückbleiben. Nicht etwa, weil die Gäste nackt nach Hause gingen. „Tatsächlich ziehen sich viele Besucher um, bevor sie ins Kalte nach draußen gehen“, erklärt Voglsang-Sprunk. Duzende Stücke wurden im Vorjahr abgegeben. „In den letzten Jahren wurde es weniger“, sagt die Fundbüroverantwortliche.
Nach dem Opernball wandern die Gegenstände weiter zur Betriebsfeuerwehr der Wiener Staatsoper – zumindest die weniger wertvollen. „Geld und Schmuck übergeben wir dem Fundamt in der Wipplingerstraße“, sagt Löschmeister Manfred Gehringer. Ein Jahr und einen Tag haben die Eigentümer Zeit, ihr Hab und Gut abzuholen.
Ein Großteil findet wieder den Weg zurück zum Besitzer. „Rund 70 Prozent werden abgeholt“, sagt
Rund 70 Prozent der Fundstücke werden abgeholt.
Manfred Gehringer,
Betriebsfeuerwehr der Oper
Gehringer. Was liegen bleibt, geht an den Finder.
Die im Vorjahr gefundene Zahnprothese wurde bei Gehringer von zwei älteren Personen abgeholt, allerdings erst zwei Wochen nach dem Ball. Den Zahnersatz dürfte der Besitzer in einer Ausnahmesituation vergessen haben. „Dem Ballgast war schlecht, er musste sich übergeben und nahm das Gebiss heraus.“Auch ein Arzt sei da gewesen. Die Geschichte nahm ein glückliches Ende – für den Ballgast und das Gebiss: „Es wurde gereinigt, vor Ort anprobiert, und es hat gepasst.“
Bei der Herausgabe der Fundstücke ist Gehringer genau, Betrüger sind bei ihm an der falschen Adresse: „Ich lass mir zum Beispiel eine Kette im Detail beschreiben – wer nur sagt, es sei eine Goldkette oder eine Perlenkette, wird sie nicht bekommen.“Verwechselungen seien so gut wie ausgeschlossen – ausgenommen Brillen. „Da passiert es schon, dass wir sie dem Falschen geben.“Allerdings werden Name und Adresse notiert.
Nicht nur Fundstücke finden denWeg ins Büro der Betriebsfeuerwehr, auch für Anzeigen ist es die erste Anlaufstelle. Ausgerechnet Ballorganisatorin Desirée Treichl-Stürgkh wurde im vergangenen Jahr Opfer von Dieben. Ihr Handy wurde gestohlen. Das sei eine absolute Ausnahme gewesen, sagt Gehringer, der seit 30 Jahren im Einsatz ist. „Wir haben auf dem Opernball eigentlich keine Taschendiebe, alles ist sehr gut überwacht.“