Ohne Russland geht es in Kiew auch nicht
DIm Rathaus von Kiew suchen die siegreichen ukrainischen Aufständischen jetzt Erholung. as politische Ende des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch scheint endgültig. Zwar halten viele seiner Vasallen ihre politischen Stellungen im Osten und Süden der Ukraine. Aber offenbar haben sie keine Lust, eine blutige Konterrevolution zu starten. Einige wenden sich jetzt selbst lautstark gegen Janukowitsch. Es wirkt, als wollte ihn sein Gefolge zum Sündenbock für alle Verbrechen des Regimes machen.
Auch die autoritäre Nachbarschaft in Minsk undMoskau wird nicht für den so „kläglich geendeten Präsidenten“, wie ihn ein Kreml-Sprachrohr nannte, intervenieren. Das heißt allerdings nicht, dass Wladimir Putin oder Alexander Lukaschenko begeistert vomSchicksal ihres Amtskollegen sind, dessen Lebensziel es war, sich eine ebensolcheMonopolstellung zu sichern wie sie: unabwählbar, unabsetzbar, unantastbar.
Nicht nur Putin, ein Großteil der russischen Gesellschaft betrachten die Ukraine zudem als Provinz ihres „Imperiums“, als „Kleinrussland“, wie die östliche Hälfte des Landes zu Zarenzeiten genannt wurde. Und man darf nicht ausschließen, dass der Kreml auf der Krim, in Lugansk oder Donezk, wo Millionen ethnischer Russen leben, versuchen wird, Separatismus zu säen; vor allem auf der Krimhalbinsel, wo die – marode – Schwarzmeerflotte der einstigen Supermacht Russland ankert. In Kiew werden Sze- narien wie vor dem georgischen August-Krieg von 2008 gefürchtet: Erst verteilt man russische Pässe an die Brüder auf der Krim, dann werden blutige Zwischenfälle provoziert, um schließlich zum Schutz der „russischen Staatsbürger“militärisch aktiv zu werden.
Doch eher wird Russland versuchen, seine Interessen mit den üblichen politischen und vor allem wirtschaftlichen Mitteln durchzusetzen: Die von Janukowitsch schon praktisch in den Bankrott gewirtschaftete Ukraine ist dringend auf Exporte nach Russland und Gasimporte aus Russland angewiesen. Europa sollte das nicht vergessen. Selbst wenn jetzt dem Assoziierungsabkommen mit Kiew nichts mehr im Wege steht: Ohne Russland geht es in der Ukraine nicht. Das wissen die Sieger in Kiew ebenso.