Taugenichts hat das Herz am rechten Fleck
Dieser Tom ist ein sympathischer Kerl. Leider ist er etwas stur, aber die Schwachen können ihm vertrauen
SALZBURG (SN). Er ist ein Taugenichts und Tunichtgut. Er ist für einen geregelten Tagesablauf nicht zu haben. Tom heißt der junge Mann, dem die Salzburger Schriftstellerin Brita Steinwendtner in ihrem soeben erscheinenden Roman ihre Zuwendung angedeihen lässt.
Tom zieht sich aufs Land zurück. Dort bringt er die Menschen dazu, ihrem Leben einen tieferen Sinn abzugewinnen. Er bringt Kultur in die Provinz, mobilisiert die Leute zu politischer Teilhabe, stiftet Verbindungen. Er ist Anreger, und als intellektueller Nomade durch Literaturen der Länder und Epochen zieht er andere mit.
Er ist ein sympathischer Kerl, keine Frage, ein Typ zum Pferde- stehlen. Einen besseren Kumpel kann man sich kaum vorstellen. Leider ist er etwas stur und zur Unversöhnlichkeit neigend. So vermasselt er sich die große Chance auf die große Liebe seines Lebens. Aber sei’s drum, das Herz sitzt ihm auf dem rechten Fleck. Die Schwachen finden in ihm einen starken Anwalt, die miesen Typen straft er mit Verachtung.
In Brita Steinwendtners Welt herrschen klare Verhältnisse. Nie besteht ein Zweifel, was Recht und was Unrecht ist, auch wenn betont wird, dass die Sache mit der Wahrheit so einfach nicht ist. Das ist aber nur dahingesagt, der Roman beweist das Gegenteil.
Tom ist mit Edelsinn, Herzenswärme und solcher Leidenschaft für das Gute, Wahre, Schöne ausgestattet, dass einem wunderlich zumute wird. Die Menschen, die ihm nahestehen, sind ein Hort des Seelenfriedens. Doch es gibt auch eine andereWelt. Und diese Zweiteilung geht mitten durch das Dorf, und das ist doch seltsam.
Offenbar unterscheidet die Erzählerin zwischen den Menschen damals und denen heute. Damals waren sie nicht so gut, denn sie haben Todesmärsche erschöpfter KZ-Insassen hingenommen. Nach dem Krieg wird eine junge Frau von einem Maskenmann vergewaltigt und ermordet, aber darum schert sich niemand. Man denunziert das Opfer ungerechtfertigt als jüdische Hure. Ein paar Jahrzehnte und eine Generation später besuchen die Leute Lesungen hochkarätiger Autoren. Sind sie jetzt, Anselm-Glück- und UlrikeDraesner-gestählt, geläutert?
Eine bekenntnishafte Begeisterung tränkt das Buch. Was wird alles an Naturbildern aufgeboten! An allen Ecken lauern große Namen der Literatur.
Die Erzählerin hat ein großes Herz. Sie liebt offenbar die Literatur und die Leute, die diese hervorbringen. Leicht gerät sie ins Schwärmen. Das ist allerdings keine ideale Basis für einen Roman, der kritisch mit unserer rauen Welt umgehen will. Buch: An diesem einen Punkt der Welt, Roman, 319 Seiten, Haymon Verlag, Innsbruck 2014.