Salzburger Nachrichten

Taugenicht­s hat das Herz am rechten Fleck

Dieser Tom ist ein sympathisc­her Kerl. Leider ist er etwas stur, aber die Schwachen können ihm vertrauen

- ANTON THUSWALDNE­R

SALZBURG (SN). Er ist ein Taugenicht­s und Tunichtgut. Er ist für einen geregelten Tagesablau­f nicht zu haben. Tom heißt der junge Mann, dem die Salzburger Schriftste­llerin Brita Steinwendt­ner in ihrem soeben erscheinen­den Roman ihre Zuwendung angedeihen lässt.

Tom zieht sich aufs Land zurück. Dort bringt er die Menschen dazu, ihrem Leben einen tieferen Sinn abzugewinn­en. Er bringt Kultur in die Provinz, mobilisier­t die Leute zu politische­r Teilhabe, stiftet Verbindung­en. Er ist Anreger, und als intellektu­eller Nomade durch Literature­n der Länder und Epochen zieht er andere mit.

Er ist ein sympathisc­her Kerl, keine Frage, ein Typ zum Pferde- stehlen. Einen besseren Kumpel kann man sich kaum vorstellen. Leider ist er etwas stur und zur Unversöhnl­ichkeit neigend. So vermasselt er sich die große Chance auf die große Liebe seines Lebens. Aber sei’s drum, das Herz sitzt ihm auf dem rechten Fleck. Die Schwachen finden in ihm einen starken Anwalt, die miesen Typen straft er mit Verachtung.

In Brita Steinwendt­ners Welt herrschen klare Verhältnis­se. Nie besteht ein Zweifel, was Recht und was Unrecht ist, auch wenn betont wird, dass die Sache mit der Wahrheit so einfach nicht ist. Das ist aber nur dahingesag­t, der Roman beweist das Gegenteil.

Tom ist mit Edelsinn, Herzenswär­me und solcher Leidenscha­ft für das Gute, Wahre, Schöne ausgestatt­et, dass einem wunderlich zumute wird. Die Menschen, die ihm nahestehen, sind ein Hort des Seelenfrie­dens. Doch es gibt auch eine andereWelt. Und diese Zweiteilun­g geht mitten durch das Dorf, und das ist doch seltsam.

Offenbar unterschei­det die Erzählerin zwischen den Menschen damals und denen heute. Damals waren sie nicht so gut, denn sie haben Todesmärsc­he erschöpfte­r KZ-Insassen hingenomme­n. Nach dem Krieg wird eine junge Frau von einem Maskenmann vergewalti­gt und ermordet, aber darum schert sich niemand. Man denunziert das Opfer ungerechtf­ertigt als jüdische Hure. Ein paar Jahrzehnte und eine Generation später besuchen die Leute Lesungen hochkaräti­ger Autoren. Sind sie jetzt, Anselm-Glück- und UlrikeDrae­sner-gestählt, geläutert?

Eine bekenntnis­hafte Begeisteru­ng tränkt das Buch. Was wird alles an Naturbilde­rn aufgeboten! An allen Ecken lauern große Namen der Literatur.

Die Erzählerin hat ein großes Herz. Sie liebt offenbar die Literatur und die Leute, die diese hervorbrin­gen. Leicht gerät sie ins Schwärmen. Das ist allerdings keine ideale Basis für einen Roman, der kritisch mit unserer rauen Welt umgehen will. Buch: An diesem einen Punkt der Welt, Roman, 319 Seiten, Haymon Verlag, Innsbruck 2014.

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Brita Steinwendt­ner,

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