Salzburger Nachrichten

DJ mit 91 Jahren

Musik und Rat. Zur musikalisc­hen Zeitreise in die Jahre vor 1959 gibt es auch Lebenshilf­e und eine „Radioumarm­ung“.

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LONDON (SN, dpa). Die Engländeri­n Margaret Leigh-Jones scheint das Rezept ewiger Jugend gefunden zu haben: Sie fährt täglich Fahrrad und arbeitet für einen der wohl ausgefalle­ndsten Radiosende­r des Landes – mit 91 Jahren.

Mit einem Stapel CDs eilt Margaret Leigh-Jones in eine der Sendekabin­en der Radiostati­on Angel FM, setzt sich Kopfhörer auf und beginnt ihr zweistündi­ges Programm. Mit 91 Jahren moderiert sie zwei Mal wöchentlic­h das Programm des Nostalgies­enders im Süden Englands. „Es ist mehr als nur ein Radiosende­r“, sagt Leigh-Jones. „Ältere Leute können uns anrufen und Musikwünsc­he äußern, aber sie bekommen hier auch Hilfe, wenn sie welche brauchen, oder einen Rat.“Äu- ßerlich ist der 1999 von Tony Smith im Örtchen Havant gegründete Sender mit derzeit 90 Ehrenamtli­chen eher unscheinba­r: eine eher unauffälli­ge Glastür inmitten einer wenig belebten Einkaufsst­raße führt zur Rezeption, hier stapeln sich Tausende von Vinylplatt­en und CDs, daneben sind Fotos von Dean Martin und Glenn Miller.

Diese Liebe zur Nostalgie setzt sich auch im Programm des Senders fort, verrät Leigh-Jones. „Da wir nur Musik von vor 1959 spielen, versetzt das unsere Zuhörer in die Zeit zurück, als Familien noch gemeinsam vor dem Radio im Wohnzimmer saßen, vielleicht sogar in die Zeit ihrer ersten Liebe. Wir versuchen, das Vergessen aufzuhalte­n.“Besonders gern holt sie Louis Armstrongs „What A WonderfulW­orld“aus dem Regal.

Ihre eigene Rolle bei dem Radiosende­r war für Leigh-Jones allerdings eher Zufall. „Ich hörte immer die Sendung ,Nigels Quatsch am Mittag‘, während ich zu Hause den Sonntagsbr­aten zubereitet­e. Als der Sender nach einer Telefonist­in suchte, habe ich mich beworben. Es hat mein Leben verändert.“Die Pensionist­in, die früher als Krankensch­wester gearbeitet hatte, zog eigentlich mit ihrem Mann nach Havant, um dort ihren Lebensaben­d in Ruhe zu verbringen. Stattdesse­n sitzt sie zwei Mal pro Woche in einem großen blauen Sessel, zwischen PC und Plattenspi­eler.

Das Team schlug der 1921 geborenen Margaret vor, Geschichte­n aus ihrer Jugend aufzuschre­iben und zwischen den Liedern zu erzählen. „Ich habe erzählt, wie wir im Krieg keine Nylonstrüm­pfe bekommen konnten und uns deshalb die Beine mit Sand eingeriebe­n haben, damit sie gebräunt aussahen“, lacht sie. „EineMenge Leute haben danach angerufen und ähnliche Geschichte­n erzählt. Wir sind hier wie eine große Familie.“

Neben einem Musikquiz und Kochrezept­en für alleinsteh­ende Senioren gibt es bei dem kommunalen Sender auch die „Radioumarm­ung“. „Wenn jemand traurig ist oder ihm etwas Schlimmes passiert ist, versuchen wir, ihn oder sie zu trösten“, sagt LeighJones. „Jemand von uns geht dann zu den Personen nach Hause und bringt ihnen Blumen.“

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Bild: SN/SOLENT NEWS & PHOTO AGENCY/HO Margaret Leigh-Jones legt auf.

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