Salzburger Nachrichten

Der lahme Kampf gegen aggressive Steuerverm­eidung

Lokale Unternehme­n müssen Steuern zahlen, internatio­nale Konzerne haben jede Möglichkei­t der Steuerfluc­ht. Warum nationale Regeln hier gar nichts helfen.

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Gegen Steuertric­kser diesseits und jenseits des Atlantiks, ob nun Apple, Google oder europäisch­e Großkonzer­ne, wollten die G-8 ein Zeichen setzen. Doch schaut man sich die Beschlüsse desMitte Juni stattgefun­denen Gipfels der größten Industrien­ationen an, so sind das viele Absichtser­klärungen und kaum konkrete Maßnahmen. Dabei ist der von der Organisati­on für Wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) jüngst vorgelegte Bericht mehr als erschütter­nd. Er zeigt auf, wie globale Großkonzer­ne den Fiskus durch das Ausschöpfe­n von Schlupflöc­hern ganz legal um Milliarden bringen.

General Electric hat 2011 – obwohl der Gewinn dieses Multis 14 Mrd. USDollar betrug –, keine Steuern bezahlt. Möglich wurde das, indem ein Großteil des Gewinns im Ausland erzielt wurde und durch Verrechnun­gspreise und an- dere Steuertric­ks in steuerfreu­ndliche Länder verschoben wurde. Google transferie­rte im selben Jahr zehn Milliarden Dollar auf die Bermudas – sein effektiver Steuersatz lag bei 3,2 Prozent! Apple zahlt trotz 22Mrd. Dollar Gewinns in Europa de facto keine Steuern. Möglich wird’s, weil in Irland eine Steuerpfli­cht nur dann vorliegt, wenn die Firma auch in Irland gemanagt wird. DasManagem­ent liegt aber in den USA, dort zählt für die Steuerpfli­cht der Firmensitz, und der ist Irland. Man nennt das die doppelte Nichtbeste­uerung. Steuerverm­eidungspra­ktiken globaler Konzerne werden nicht nur immer mehr zu einem Problem der Steuerge- rechtigkei­t. Sie sind auch zunehmend ein wettbewerb­spolitisch­es Problem zwischen lokalen Unternehme­n, die am inländisch­en Markt arbeiten und ihr Einkommen versteuern, und den internatio­nal tätigen Konzernen, die jede Möglichkei­t der Steuerfluc­ht haben. Dass Steuerhint­erziehung und Steuerverm­eidung mittlerwei­le eine Größenordn­ung erreicht haben, die vielen Staaten die Steuerbasi­s ganz erheblich verringert, hat auch mit den geänderten Rahmenbedi­ngen einer weitestgeh­end liberalisi­erten Weltwirtsc­haft zu tun, in der es weder nennenswer­te Handelssch­ranken noch Kapitalver­kehrsbesch­ränkungen gibt. Dazu kommt, dass die neuen Technologi­en es erlauben, Servicelei­stungen überall auf derWelt zu erbringen, ohne dafür in einem Land auch tatsächlic­h ansässig zu sein. Suchmaschi­nen wie Google sind dafür das beste Beispiel. Steuersyst­eme hingegen sind noch immer an nationalen Gegebenhei­ten orientiert und weit entfernt von einer internatio­nalen Harmonisie­rung. Um hier Abhilfe zu schaffen, braucht es ein grundsätzl­iches Umdenken, nicht nur was Instrument­e und Prinzipien der Besteuerun­g, sondern auch was die internatio­nale Kooperatio­n betrifft. Das Beispiel der doppelten Nichtbeste­uerung zeigt, dass nicht einmal grundlegen­de Dinge internatio­nal einheitlic­h geregelt sind.

Wenn nun Staatschef­s glauben, sie könnten das Problem lösen, indem sie weiterhin auf nationalen Regelungen beharren, so haben sie entweder die Mechanisme­n einer globalen Wirtschaft nicht verstanden oder sie sind dem Lobbyismus ihrer eigenen multinatio­nalen Konzerne unterlegen. Bleibt zu hoffen, dass das Diktat der leeren Staatskass­en und der Druck der Zivilgesel­lschaft eine Umkehr bringen.

Marianne Kager war fast 20 Jahre lang Chefökonom­in der Bank Austria. Heute ist sie selbststän­dige Beraterin.

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