Die Verteidiger formieren sich
Internetkultur. Ein kleines Festival findet über das Internet große Freunde. Diese unterstützen das „musikprotokoll“und wettern gegen den ORF, wie der Bariton Georg Nigl.
WIEN (SN-hkk). Im großen Weltreich, weit abseits von der Generaldirektion, lebt ein für die Hauptstädter unscheinbar gewordenes kleines Festival. Weil dieses – nämlich das „musikprotokoll“– jetzt bedroht ist, hebt ein Widerstand an, der Staunen macht: Die Verteidiger formieren sich im Internet unter „rettetdasmusikprotokoll.mur.at“. Viele Musiker, Studenten und Leute aus der Musikbranche haben unterschrieben. Aber auch solche Prominente exponieren sich dort, die sogar für Quotenansprüche des ORF tauglich wären: Brigitte Kowanz, Olga Neuwirth, Elfriede Jelinek, Andrea Breth, Martin Kusej, Luc Bondy oder Peter Pakesch.
Ein Unterzeichner ist der Bariton Georg Nigl. Er ist am vorigen Wochenende mit Martin Grubinger imWiener Konzerthaus aufgetreten und hat u. a. im Theater an der Wien vor drei Jahren als Wozzeck Furore gemacht.
Warum engagiert er sich so für das „musikprotokoll“? Die Kunst sei an ihren Rändern nie massentauglich, sagt Georg Nigl. Doch an diesen Rändern tummle sich die Avantgarde, also die Vorhut, „die uns davor schützt, museal zu werden“. Ein Festival wie das „musikprotokoll“sei nötig, „damit wir Menschen in unserem Denken, Fühlen und Erahnen gezwungen sind, nicht stehen zu bleiben“.
Ihn empöre nicht, wenn dort oder da gespart werden müsse oder ein Konzept überdacht wer- de. Empörend sei vielmehr die Art der Entscheidung: Da werde bloß auf eine Budgetzahl hingedeutet und diese durchgestrichen. Doch „die technokratischen Schädeln im ORF wissen nicht, was sie da anrichten. Sie haben keine Ahnung über Bedeutung und Inhalte von Festivals wie Bachmann-Preis und ,musikprotokoll‘“, kritisiert Georg Nigl. „Sie wissen offenbar nicht, wer Ligeti, Nono, Boulez, Jonke und Tellkamp sind.“
Auf die Frage, was das Ende des „musikprotokolls“bedeutet, findet Nigl zwei Vergleiche.
Erstens: Das sei so, wie wenn man sich vornähme, „aus den Lipizzanern Leberkäs zu machen“. Zweitens: Das sei so, wie wenn man im Garten sein Glashaus zertrümmere und damit alle Jungpflanzen und künftige Ernten zerstöre. Das heißt: „Wer so denkt, kappt seine Zukunft.“
Wäre er selbst nicht 1988 mit seinem Lehrer beim „musikprotokoll“gewesen, hätte er niemals begonnen, sich mit zeitgenössischer Musik zu beschäftigten, schildert Georg Nigl. Als Künstler sei er dort erst ein Mal aufgetreten, doch oft sei er als Besucher beim „musikprotokoll“. Er führt viel Zeitgenössisches auf, viele Komponisten – wie Georg Friedrich Haas, Olga Neuwirth, Wolfgang Mitterer und Friedrich Cerha – habenWerke für ihn komponiert. „Ich bin nicht der Sänger, der überall den Don Giovanni auf und ab singt, das hat mich nie interessiert.“
Seinen Zorn über die Sparpolitik des ORF fasst Georg Nigl im Satz zusammen: „Die technokratische Dumpfbacken wollen sich an der wollmilchlegenden Quotensau festkrallen.“
Der ORF hingegen hat in der Vorwoche beteuert: Der Eindruck, dass „bei der Erfüllung seiner Sparvorgaben“der Bereich der Kultur unverhältnismäßig stark belastet werde, sei falsch. Sondern: „Kultur war, ist und bleibt eine solche Kernaufgabe des ORF.“Es müsse und werde auch „bei anderen Programmen zu spürbaren Einschnitten kommen – darunter bei einer Reihe von Unterhaltungsformaten, Show-Events, Doku-Soaps“.
Zudem habe der ORF die Aktivitäten im Bereich Kultur in den Vorjahren ausgebaut, stellt AlexanderWrabetz fest und nennt als Beispiele ORF III und „zahlreiche zusätzliche Übertragungen im Hauptprogramm“. Er versichert: „Ich setze mich – auch gegen erheblichen Widerstand von verschiedener Seite – für Erhalt und Stärkung des ORF als wichtigste Kunst- und Kultur-Vermittlungsinstitution Österreichs ein.“