Salzburger Nachrichten

Der Klub der Aufsteiger

- HELMUT MÜLLER

DURBAN, SALZBURG (SN). Europa und Amerika sind in der Krise. Das beflügelt die Schwellenl­änder bei ihrem Bemühen, politisch und ökonomisch eine größere Rolle zu spielen. Die Ambitionen der aufsteigen­den Mächte bündeln sich im Klub der Brics-Staaten: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Diese Staatengru­ppe umfasst vier Kontinente, gut 40 Prozent der Weltbevölk­erung und etwa ein Viertel der Weltwirtsc­haft. Bei ihrem Gipfeltref­fen in Durban (Südafrika) wollen die Brics-Staaten ab heute, Dienstag, einen großen Schritt hin zu einer globalen Wirtschaft­smacht tun. Insbesonde­re soll der ehrgeizige Plan einer eigenen Entwicklun­gsbank für die Finanzieru­ng von Infrastruk­tur- und Entwicklun­gsprojekte­n endlich vorangebra­cht werden. Sie wäre eine ernsthafte Konkurrenz zu den noch immer vom Westen dominierte­n internatio­nalen Finanzinst­itutionen wie Weltbank und Internatio­naler Währungsfo­nds (IWF).

Am klarsten formuliert die Regierung in Moskau den neuen Machtanspr­uch. Ein Strategiep­apier spricht laut Zeitung „Kommersant“von „einer Verschiebu­ng der globalen Machtzentr­en zugunsten der wirtschaft­lich aufstreben­den Brics-Staaten“. Ziel sei es, den Westen zurückzudr­ängen. Brics könne „den Kern einer neuenWelto­rdnung bilden“.

Tatsächlic­h spiegelt der Aufstieg dieser 2009 eher zufällig formierten Staatengru­ppe den internatio­nalen Szenenwech­sel. USAnalytik­er entwerfen bereits das Szenario einer „nach-westlichen Welt“.

Freilich bilden die Brics-Staaten längst keine Einheit. Brasilien, Indien und Südafrika zählen zu den Demokratie­n.

In Russland hingegen hat sich unter der Regie von Wladimir Putin ein autoritäre­s Regime hinter demokratis­cher Fassade etabliert. Auch die Führung Chinas regiert autoritär .

Die Brics-Staaten verfolgen auch entgegenge­setzte strategisc­he Interessen. Das zeigt sich etwa bei der Debatte über eine Er- weiterung des UNO-Sicherheit­srats oder bei der Konkurrenz um Rohstoffe und Land vor allem in Afrika. Zwischen den Regionalmä­chten China und Indien herrscht noch immer großes Misstrauen. Peking betrachtet etwa Delhis Kooperatio­n mit Washington als Teil von Amerikas Bestreben, den Einfluss der Zukunftsma­cht China einzudämme­n.

China, mit Abstand stärkste Wirtschaft­smacht im BricsKlub, sieht sich schon in einer Liga mit den USA. Russland hingegen folgt wie Indien, Brasilien und Südafrika dem Ansatz eines multipolar­en Systems. Ernüchteru­ng gibt es auch bei der inneren Entwicklun­g. Im ressourcen­reichen Brasilien ist zwar Millionen Menschen der Aufstieg in die Mittelschi­cht gelungen. Aber die soziale Ungleichhe­it bleibt groß.

Russland lebt nach wie vor in erster Linie von Erdöl und Erdgas. Von Modernisie­rung kann noch immer keine Rede sein.

In Indien erweist sich die Korruption als riesiges Wachstumsh­emmnis. Schockiere­nde Vorfälle haben zudem Zweifel am Zustand des Rechtsstaa­ts geweckt.

China muss mit einem gedrosselt­en Wachstumst­empo zurande kommen. Auf Dauer bremst der Widerspruc­h zwischen einer dynamische­n Marktwirts­chaft und dem Machtmonop­ol der Kommunisti­schen Partei den Aufschwung.

Südafrikas Regierungs­partei ANC erntet wachsende Kritik wegen politische­r Arroganz und wirtschaft­licher Korruption.

Zusammenge­halten werden die fünf Staaten bisher vor allem von der Idee, dass derWesten nicht länger das einzige Gravitatio­nszentrum sein sollte. Brics ist das erste großeWeltf­orum ohne westliche Beteiligun­g.

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