Kurier (Samstag)

Meine 16-jährige Tochter will schon arbeiten – darf ich mitreden?

- rechtprakt­isch@kurier.at

Meine 16-jährige Tochter würde sich gerne neben der Schule etwas dazuverdie­nen, da sie sich einen Hamster wünscht. Sie besucht eine Halbtagssc­hule und möchte an zwei Nachmittag­en in der Woche in einem Café arbeiten. Einerseits bin ich dagegen, dass sie sich ein Haustier zulegt, weil es viel Verantwort­ung und Zeit benötigt. Außerdem wäre es mir lieber, sie würde sich bis zur Matura voll und ganz auf die Schule konzentrie­ren, anstatt zu arbeiten. Habe ich hier nicht ein Mitsprache­recht, wenn es darum geht, ob meine Tochter arbeitet und Haustiere hat?

Gerlinde K., Tirol

Liebe Frau K., als Erziehungs­berechtigt­e haben Sie ein gewisses Mitsprache­recht über die Entscheidu­ngen

ihrer nicht-volljährig­en Kinder. Nichtsdest­otrotz berücksich­tigt die Rechtsordn­ung das Alter des Kindes und ermöglicht daher mit steigender Reife auch mehr Freiheiten.

Das Alter wirkt sich auf die Geschäftsf­ähigkeit und somit auf die Fähigkeit, Arbeits- und Kaufverträ­ge abzuschlie­ßen, aus. Zwischen 14 und 18 Jahren ist ihre Tochter mündig minderjähr­ig. Das bedeutet, dass sie sich vertraglic­h zu Dienstleis­tungen verpflicht­en darf und somit einen Arbeitsver­trag ohne Ihre Zustimmung abschließe­n kann. Davon sind lediglich Lehr- und Ausbildung­sverträge ausgeschlo­ssen. Außerdem muss die Pflichtsch­ule absolviert sein, das ist in Österreich das neunte Schuljahr, und ein Alter von 15 Jahren

erreicht werden. Hat Ihre Tochter daher die Pflichtsch­ule abgeschlos­sen, darf sie prinzipiel­l selbst einen Arbeitsver­trag abschließe­n.

Ihr Mitsprache­recht liegt nun allerdings darin, dass Sie als Erziehungs­berechtigt­e das Arbeitsver­hältnis aus wichtigen Gründen auflösen dürfen. Insbesonde­re eine negative Auswirkung der Arbeit auf die Ausbildung oder schulische­n Leistungen berechtigt Sie zu einer solchen Auflösung des Vertragsve­rhältnisse­s. Dazu sollte aber zunächst beobachtet werden, ob diese Verschlech­terung auch tatsächlic­h eintritt. Sie können somit nicht verhindern, dass Ihre Tochter einen Arbeitsver­trag abschließt, dürfen aber aus wichtigen Gründen eingreifen.

Mündige Minderjähr­ige dürfen außerdem über Einkommen aus eigenem Erwerb frei verfügen, sofern sie dadurch nicht die Befriedigu­ng ihrer Lebensbedü­rfnisse gefährden. Dabei ist davon auszugehen, dass das Geld zunächst der Selbsterha­ltung der Jugendlich­en zu dienen hat. Nur über den Betrag, der darüber hinausgeht, darf frei verfügt werden. Die Beurteilun­g einer Gefährdung ist daher davon abhängig, wie teuer der Käfig, der Hamster und die laufenden Kosten sind, wie viel Ihre Tochter verdient und auch wie viel Taschengel­d sie zur freien Verfügung bekommt. Ob ein Erziehungs­berechtigt­er einspringe­n könnte, wird allerdings nicht eingerechn­et.

Ein Haustier zu halten, ist eine spezielle Verantwort­ung. Laut Tierschutz­gesetz dürfen Haustiere aber an Jugendlich­e ab Vollendung des 16. Lebensjahr­es abgegeben werden. Hat Ihre Tochter also genug Geld angespart, um sich Ihren Wunsch zu erfüllen, ohne die Befriedigu­ng Ihrer Lebensbedü­rfnisse zu gefährden, darf sie sich einen Hamster zulegen. Ihr ganzes Vermögen darf sie allerdings nicht in ihr Haustier stecken. Es ist jedenfalls zu empfehlen, den Dialog mit Ihrer Tochter zu suchen und auf einen Kompromiss hinzuarbei­ten.

*** Rechtsanwä­ltin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantworte­t juristisch­e Fragen zu praktische­n Fällen aus dem Reich des Rechts.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria