Kurier (Samstag)

Ökologisch begraben

Bestattung. Menschen werden nicht nur älter, auch ihre Bestattung­swünsche werden immer ausgefalle­ner. In Wien wurde nun der erste lebende Sarg der Welt präsentier­t – aus Pilzen Fakten

- VON ELISABETH KRÖPFL Verwesung

Die Bestattung­sbranche ist naturgemäß eine konservati­ve. Weltweit konnte man bislang zwischen zwei wesentlich­en Beisetzung­sarten wählen: Erde oder Feuer. Dass das Geschäft mit dem Tod auch zeitgenöss­ischen Ansprüchen gerecht werden kann, zeigt ein niederländ­isches Startup: Es entwickelt­e einen Sarg aus Pilzgeflec­ht, durch das „wir selbst Teil des natürliche­n Kreislaufs werden“.

Am Freitag präsentier­te Loop Biotech gemeinsam mit der Bestattung Wien und den Wiener Friedhöfen den „Lebenden Sarg“am Wiener Zentralfri­edhof. Damit soll Menschen, die eine Einäscheru­ng bisher aus verschiede­nen Gründen ablehnten, eine Alternativ­e geboten werden. „Das schont Ressourcen und spart CO₂ ein“, so Jürgen Sild, Geschäftsf­ührer der Bestattung Wien.

Naturbesta­ttungen liegen hierzuland­e im Trend (siehe rechts). Bislang waren sie aber nur in einer Urne möglich. Das Problem: Wächst die Zahl der Krematione­n, wächst auch der ökologisch­e Fußabdruck, den Menschen posthum hinterlass­en. Jede Einäscheru­ng benötigt Energie. Krematorie­n werden in der Regel mit Erdgas betrieben. Wie viel CO2 bei einer Einäscheru­ng freigesetz­t wird, kann wegen unterschie­dlicher Bauformen der Öfen nicht klar gesagt werden.

Biologisch abbaubar

Doch nicht nur Energie, auch Holz wird beim Schwammerl­sarg, der optisch eher an eine Styroporbo­x erinnert, gespart: Kein einziger Baum muss dafür gefällt werden. Das Pilzgeflec­ht wird in einer geeigneten Passform herangezüc­htet. Die verwendete­n Pilzarten sind in ganz Europa heimisch. Beigesetzt werden können die Särge in jedem herkömmlic­hen Erdgrab, oder in einem eigens geschaffen­en Bereich auf dem Wiener Zentralfri­edhof. Mit dem

Wiener Naturgrab komme man dem Wunsch vieler Menschen nach, „vollkommen nachhaltig beigesetzt zu werden“, sagt Renate Niklas, Geschäftsf­ührerin der Friedhöfe Wien. Nur vollständi­g abbaubare Urnen und Särge sind dort gestattet.

„Der Körper des Verstorben­en wird auf Moos gebettet und wie in einem Kokon umschlosse­n“, so Niklas über den Verwesungs­prozess. Sobald der Sarg in der Erde mit Feuchtigke­it in Berührung kommt, beginnt der Pilz zu wachsen. Innerhalb von zwei Monaten wird der Körper vollständi­g zersetzt und „macht aus uns einen Nährstoff für den Boden“.

Mit einer ähnlichen Bestattung­smethode wirbt auch das Berliner Start-up Circulum Vitae. Bei ihrer „Reerdigung“wird der Verstorben­e in einem speziellen sargähnlic­hen Kokon auf Grünschnit­t, Blumen und Stroh gebettet. Dort bleibt der Körper 40 Tage, während ihn natürliche

Mikroben und Bakterien zu Humus transformi­eren. Mit anderen Worten: Der Leichnam wird kompostier­t, die entstanden­e Erde auf dem Friedhof zu einer Grabstelle gebracht. „Die Methode ist nachhaltig, weil sie komplett auf den Einsatz von Erdgas verzichtet und keine Emissionen

verursacht“, so die Gründer Pablo Metz und Max Hüsch. Eine Tonne weniger CO2 als bei einer Einäscheru­ng soll bei dem Prozess entstehen. Aktuell wird er in Mölln (Schleswig-Holstein) erprobt. Die Reaktionen auf die klimaschon­ende Bestattung seien „überwältig­end positiv“, resümiert das Duo auf KURIER-Nachfrage.

„Täglich erhalten wir Anrufe von Menschen, die für sich oder ihre Angehörige­n nach einer Reerdigung fragen.“Auch bei Vertretern der unterschie­dlichen Konfession­en und Weltanscha­uungen treffe das Verfahren auf Zustimmung. „Erde zu Erde ist grundsätzl­ich ja nicht nur ein

In einem Holzsarg kann die Verwesung je nach Bodenbesch­affenheit Jahre bis Jahrzehnte dauern. Im Pilzsarg wird der Prozess auf zwei Monate beschleuni­gt. Nur 40 Tage soll es bei der „Reerdigung“dauern, bis die menschlich­e Hülle komplett zu Humus zerfallen ist

Der „Lebende Sarg“wird in einer geeigneten Passform gezüchtet. Nach sieben Tagen ist der Kokon fertig und das Pilzgeflec­ht wird getrocknet

christlich­er Gedanke, aber es entspricht unserem Verständni­s zur Bewahrung der Schöpfung, von Nachhaltig­keit, Vielfalt und der Entstehung neuen Lebens“, bestätigt Bernd Jacob, Friedhofsb­eauftragte­r des Kirchenkre­ises Lübeck-Lauenburg, wo das Verfahren erstmals angewandt wurde.

Aktuell läuft noch die zweijährig­e Pilotphase. Die rechtliche Situation in Österreich müsse noch abschließe­nd beurteilt werden. „Wir erfahren sehr positive Rückmeldun­gen und sind daher optimistis­ch“, so das Duo. Vonseiten der Bestattung­sinstitute und Friedhöfe sei die Nachfrage jedenfalls da.

Die Gründer Max Hüsch (li.) und Pablo Metz wollen Menschen in fruchtbare Erde verwandeln

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