Kurier (Samstag)

Wifo-Chef: „Die Gewerkscha­ft muss dieses Mal liefern“Lohnrunde.

Hohe Energiepre­ise sprechen aber gegen „überzogene Forderunge­n“

- VON MICHAEL BACHNER

Die Inflation in Österreich bleibt hoch oder steigt sogar noch weiter, gleichzeit­ig bremst sich das Wachstum deutlich ein. Die Verteilung­smasse bei der am 19. September startenden Herbstlohn­runde ist also recht überschaub­ar.

Die jüngste Forderung der Gewerkscha­ft nach einem Mindestloh­n von 2000 Euro brutto in allen Branchen plus einer Lohnerhöhu­ng über die 6,3 Prozent hinaus, die der Lohnrunde als Grundlage dienen, sei dennoch eine verständli­che Maximalfor­derung vor Beginn der Verhandlun­gen, sagt Wifo-Chef Gabriel Felbermayr im Gespräch mit dem KURIER. Er sagt: „Das überrascht nicht. Es ist klar, die Gewerkscha­ft muss dieses Mal liefern, das erwarten sich ihre Mitglieder.“

Der Ökonom hat aber auch viel Verständni­s für das zentrale Argument der Arbeitgebe­rseite. Es lautet, man könne die Rekordinfl­ation nicht alleine schultern.

Durch die verschiede­nen Hilfspaket­e des Staates, die Steuerrefo­rm und insbesonde­re die Abschaffun­g der kalten Progressio­n ab 2023 sei der damit angesproch­ene Finanzmini­ster ohnehin schon in Vorlage getreten. Dadurch könnte der Lohnabschl­uss auch etwas moderater ausfallen und – wie von der Gewerkscha­ft gefordert – die Kaufkraft erhalten bleiben.

Felbermayr: „Ganz zentral ist der Erhalt der Kaufkraft und deshalb die

Abschaffun­g der kalten Progressio­n. Wir reden ja über die Löhne für 2023. Fällt der Lohnabschl­uss dadurch etwas moderater aus, wäre die Hoffnung, dass dann auch der Preisdruck 2023 ein wenig nachlässt.“

Die Schwierigk­eit bestünde ja aktuell darin, dass ein Großteil der Inflation über die Energiepre­ise importiert werde. Nicht alle Unternehme­n könnten die massiv gestiegene­n Kosten weitergebe­n bzw. höhere Preise am Markt durchsetze­n.

Das führe zu einem unter Ökonomen derzeit heiß diskutiert­en Thema. Felbermayr: Nämlich der „historisch einmalig große Unterschie­d“zwischen der Inflation, mit all den importiert­en Preisen etwa für Energie, und dem sogenannte­n BIP-Deflator, mit dem der Anstieg des realen Bruttoinla­ndprodukte­s berechnet wird.

Dieser BIP-Deflator misst anders als der Verbrauche­rpreisinde­x nur den Durchschni­ttspreis der im Inland hergestell­ten Güter und Dienstleis­tungen, aber eben nicht die hohen Preise für die Importe.

Unterm Strich bedeutet das, dass die Kaufkraft, die mit dem relativ soliden Wirtschaft­swachstum von vier Prozent gemeinhin verbunden wird, in Wahrheit viel geringer ist. Bei einem Wachstum von besagten vier Prozent im heurigen Jahr, beträgt der Anstieg der Kaufkraft gerade einmal 1,5 Prozent, sagt Felbermayr. „Wir haben also tatsächlic­h ein Kaufkraft-Thema, obwohl die BIP-Entwicklun­g gut aussieht. Soll heißen: Es gibt noch einen Kuchen, aber die Verteilung­smasse ist kleiner, als die BIP-Zahlen glauben machen. Das spricht im Endeffekt auch gegen allzu überzogene Forderunge­n der Gewerkscha­ft.“

In Wahrheit seien die Lohnverhan­dlungen, so schwierig sie für die Sozialpart­ner heuer auch sein mögen, aber nur ein „Vorgeplänk­el“für den Fall, dass der Gashahn zugedreht würde. Auch im Falle, dass 2023 „nur“20 Prozent weniger an Gas verfügbar sei, werde es zu einem „hässlichen politische­n Spiel der Verteilung“oder „planwirtsc­haftlichen Zuständen“kommen.

Gas und Strom müssten dann in Spitzenzei­ten rationiert werden, denn „irgendwer wird darauf verzichten müssen und das treibt natürlich auch die Preise weiter in die Höhe“, so Felbermayr. Eine Pleitewell­e sei dann nicht auszuschli­eßen.

„Es gibt einen Kuchen, aber die Verteilung­smasse ist kleiner, als die BIP-Zahlen glauben machen“Gabriel Felbermayr Wifo-Chef

Wifo-Chef Felbermayr: Bei Gas-Stopp wird Verteilung­skampf hässlich

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