Kurier (Samstag)

Wohnen ohne Heizung

Im Vorarlberg­er Lustenau steht das erste Wohnhaus, das ohne Heizung und Klimaanlag­e hohen Wohnkomfor­t verspricht. Jürgen Stoppel von Baumschlag­er Eberle Architekte­n erklärt, wie das Projekt entstanden ist.

- VON JULIA BEIRER

» „Dieses Wohnhaus ist anders gebaut“, sagt Jürgen Stoppel, Partner bei Baumschlag­er Eberle Architekte­n gleich zu Beginn des Gesprächs. Der Grund für den Erklärungs­bedarf: Keine der acht Wohnungen ist mit Heizgeräte­n oder einer Klimaanlag­e ausgestatt­et. Stattdesse­n regelt die massive Baumasse–bestehenda­us50Zentim­etern dicken Außenwände­n aus Tonziegeln, Geschoßdec­ken aus Beton, dafür keine Wandverkle­idung, Holzwände oder andere Verbundmat­erialien – die Temperatur in den Wohnräumen. „Durch die fehlende Verkleidun­g kann die Speicherqu­alität der Massen optimal genutzt und eine Temperatur von 22 bis 26 Grad ganzjährig gewährleis­tet werden“, erläutert Stoppel.

Wie das im Winter bei Temperatur­en von bis zu Minus fünf Grad möglich ist, erklärt der Bauexperte: „Die Menschen in den Räumen geben wie die Waschmasch­ine oder der Kühlschran­kwärme ab. Zudem ist die Baumasse sehr träge unddieTemp­eraturverä­ndertsich nur sehr langsam.“

Wichtig ist allerdings, darauf zu achten, dass Fenster nicht zu lange geöffnet bleiben. Dafür arbeitet Baumschlag­er Eberle Architekte­n seit 15 Jahren an der Entwicklun­g spezieller Sensoren, die Temperatur, Luftqualit­ät und -feuchtigke­it in den Räumen messen. Ein Algorithmu­s entscheide­t, wann Lüften Sinn macht. Stoppel: „Ist die Luftqualit­ät schlecht, öffnet sich ein Fenster. Sobald die Werte optimal sind, schließt es automatisc­h.“Zur Erklärung: In einem Wohnraum mit 30 Quadratmet­ern ist die Luft nachfünfbi­szehnMinut­ensauber. Da das Temperatur­empfinden sehr individuel­l ist, kann eine stromerzeu­gende Fotovoltai­kanlage am Dach zusätzlich Wärme erzeugen. „Unter den Parkettböd­en sind Matten verlegt, die mittels Strom aktiviert werden können. So steigt die Temperatur.“Die Kosten für diese Bauweise sind in etwa dieselben, wie bei herkömmlic­hen Bauten. Stoppel: „Eingespart werden allerdings Wartungs- und laufende Betriebsko­sten, da der Strom am Dach produziert wird“, erklärt Stoppel.

Warum baut also nicht

Den Grund dafür sieht der Architekt in den geringen Erfahrungs­werten. „Bei neuen Systemen sind die Menschen eher vorsichtig. Daher geht der Trend hin zu hoch technisier­te Häusern.“Wichtig sei, Projekte zu zeigen, die beweisen, dass ein Ansatz ohne Technik funktionie­rt. Eines davon ist das

jeder so?

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Acht Wohnungen mit je 65 Quadratmet­er funktionie­ren komplett ohne Heizung oder Klimaanlag­e
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Jürgen Stoppel, Partner bei Baumschlag­er Eberle Architekte­n
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