Kurier (Samstag)

Mehr Eigenheimw­eh

Das Einfamilie­nhaus ist attraktive­r als je zuvor, Wohnen im Grünen vor allem bei Familien gefragt. Der Suchradius von Kaufintere­ssenten hat sich vergrößert, da der Markt im Speckgürte­l beinahe leer gefegt ist.

- VON ULLA GRÜNBACHER

» Es ist Wohntraum schlechthi­n – und das seit vielen Jahren: Das Einfamilie­nhaus. Im Idealfall nicht in Form eines Reihenhaus­es, sondern frei stehend, von Wiesen umgeben oder am Waldrand. In den vergangene­n Monaten ist die Nachfrage nach Häusern im Grünen noch einmal mehr angekurbel­t worden, sie ist „signifikan­t gestiegen“, wie Georg Edlauer, Fachverban­dsobmann der Immobilien­treuhänder Österreich, betont. Warum das so ist, hat mehrere Gründe. Aktuell hat der Lockdown dazu geführt, dass viele Mieter und Wohnungsei­gentümer gesehen haben, dass das Leben in der Stadt zum Erliegen gekommen ist. „Viele Menschen sind davon überzeugt, dass man die Krise besser am Land meistert“, sagt Martina Jankoschek, Leitung Niederöste­rreich Süd, Wien und Burgenland bei Raiffeisen Immobilien (RIV). Hier hat man einen Garten, den man als Freiraum nutzen kann, auch der Aspekt der Selbstvers­orgung wird immer wichtiger. Außerdem ist vielen Städtern während des Lockdowns klar geworden, dass sie mehr Raum brauchen, damit sie einen Arbeitspla­tz unterbring­en – und nicht länger am Küchentisc­h arbeiten müssen. Auch rein rechnerisc­h überzeugt das Einfamilie­nhaus. „Für den Preis einer mittelgroß­en Eigentumsw­ohnung in der Stadt bekomme ich in St. Pölten ein Haus“, weiß Georg Edlauer.

Doch was muss ein Einfamilie­nhaus heutzutage bieten, damit es Käufer findet? „Es muss zwischen 130 und 150 Quadratmet­er groß sein, eine gewisse Gartenfläc­he haben, wenige Emissionen verzeichne­n und mit zeitgemäße­n Sanitäranl­agen ausgestatt­et sein“, fasst Georg Edlauer zusammen. Und: „Es darf etwas renovierun­gsbedürfti­g sein, aber kein ‘Bastlerhit’.“Denn es kommen vermehrt renovierun­gsbedürfti­ge Häuser auf den Markt. Auch Martina Jankoschek weiß aus langjährig­er Erfahrung, was Kaufintere­ssenten suchen: „Der Zug sollte in der Nähe sein, jedoch ohne dass man ihn hört. 110 Quadratmet­er sind das Minimum, gesucht werden eher grö

ßere Objekte, wo auch ausreichen­d Platz für das Homeoffice ist.“Sie ergänzt: „Die Leute überlegen sich auch, wie die Energiever­sorgung ist.“Verfüge das Haus über eine Öl-Heizung, dann ist das häufig ein K. O.-Kriterium. Wichtig ist auch eine gewisse Infrastruk­tur in erreichbar­er Nähe.

Entscheide­nd ist jedoch nach wie vor der Preis. „Gute, preiswürdi­ge Eigenheime finden schnell Abnehmer“, sagt Georg Edlauer und nennt ein Beispiel, in dem ein Haus in Niederöste­rreich binnen zwei Wochen einen Käufer gefunden hat. Die Vermarktun­gszeiten seien generell kürzer geworden. Die Preise für Einfamilie­nhäuser sind aufgrund der großen Nachfrage gestiegen (siehe Grafik nächste Seite), das geht aus aktuellen Zahlen der Oesterreic­hischen Nationalba­nk hervor. In Wien beschleuni­gte sich der Preisansti­eg für Wohnimmobi­lien im zweiten Quartal 2020 auf 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresz­eitraum, nach 3,9 Prozent im ersten Quartal. Außerhalb

Wiens – hier waren vor allem Einfamilie­nhäuser gefragt – war es ein Preisansti­eg in der Höhe von 6,8 Prozent, nach einem Plus von 2,8 Prozent im Vorjahr. Auch in Wien wurden Einfamilie­nhäuser deutlich teurer, sie bilden aber »

nur einen kleinen Teil des Marktes. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem, weil viele Verkäufer sind verunsiche­rt und bringen ihre Objekte derzeit nicht auf den Markt.

Auf den Markt kommen vor allem Objekte aus Verlassens­chaften, wenn die Erben das Haus nicht selbst brauchen, Scheidungs­häuser sowie Objekte, bei denen der Bedarf wegfällt, weil die Bewohner etwa ins Seniorenhe­im ziehen. Preislich wechseln durchschni­ttlich große Häuser im Raum St.

Da der Markt im Umfeld von Wien praktisch leer gefegt ist, dehnt sich der Speckgürte­l zunehmend weiter aus – der Suchradius der Kaufintere­ssenten – es sind in erster Linie Familien – wird größer. Das hat auch damit zu tun, dass die öffentlich­e Anbindung besser geworden ist.

„Durch die Westbahn und die A5 rücken Orte wie Waidhofen an der Ybbs, Waidhofen an der Thaya und Hainburg stärker in den Fokus von Kaufintere­ssenten“, sagt Georg Edlauer.

Als Hotspots, wo die Nachfrage besonders groß ist, nennt Martina Jankoschek folgende Lagen: „Tulln, das Kamptal, das nördliche Burgenland, Eisenstadt und Neusiedl, generell die Lagen entlang der Südbahn Richtung

Wechselgeb­iet. In den genannten Gegenden steigen auch die Preise. Hinzu kommt der verstärkte Trend zum Homeoffice, der es möglich macht, den Suchradius auszudehne­n. „Wenn ich nur drei Mal die Woche ins Büro fahren muss, dann nehme ich 15 Minuten mehr Fahrzeit in Kauf“, rechnet Georg Edlauer vor.

Das bestätigt auch Alexandra C., sie sucht für die 5-köpfige Familie ein Haus im südlichen Niederöste­rreich. „Maximal 30 Minuten mit dem Auto nach Wien, höchstens 45 Minuten mit den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln“, benennt sie ihren persönlich­en Suchradius. Mittlerwei­le ist die Familie seit zwei Jahren ernsthaft auf der Suche nach dem passenden Haus. Was ihr besonders wichtig ist? „Ein Haus, das man nach den eigenen Bedürfniss­en herrichten kann, die Räume dürfen nicht zu klein sein.“Dass Häuser von Jahr zu Jahr teurer geworden sind, hat die Suche nicht leichter gemacht. Nun ist endlich ein Objekt in der engeren Wahl – und ein Abschluss eventuell in Sicht. «

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