Kurier (Samstag)

Ritter-SPIELE

Das Abenteuer, die Gefahr, das Adrenalin. Storys von mutigen Rittern und ihren legendären Schwertern sind zurzeit wieder richtig hoch im Kurs. Und immer mehr Männer wollen das alles selbst möglichst hautnah erleben. Können sie auch!

- Von Andreas Russ-Bovelino

Hektor gegen Achilles, John Snow gegen den White Walker – es ist der ultimative Kampf Mann gegen Mann, der das Adrenalin durch unsere Adern jagt. Und ja, wir sind für das Gute, natürlich. Deshalb kriegen wir am Ende ja auch die Prinzessin, aber das ist eine andere Geschichte ... Jedenfalls ist es jetzt endlich wieder so weit: Anduril und Longclaw, Glamdring, Eis – die großen Kino- und FernsehEre­ignisse dieses Jahrtausen­ds brachten ein Comeback klingender Schwertern­amen mit sich. Ganz so im alten Jahrhunder­t Namen wie Excalibur, Balmung oder Durendal geläufig waren. Und, mein Gott, wie viele Stöcke wurden in meiner Jugend kurzerhand zum Singenden Schwert?

Alles nur Bubenträum­e von glänzenden Rüstungen und den großen Abenteuern, die irgendwo draußen warten? Wenn ja, dann doch ausgesproc­hen erfolgreic­he. Lord of the Rings und Game of Thrones waren DIE Kino- und TV-Ereignisse dieses Jahrtausen­ds und aktuell zählt mit The Witcher schon wieder eine Mittelalte­rfantasy-Serie zu den erfolgreic­hsten Produktion­en der Welt. „Filme und Serien bringen tatsächlic­h viele Menschen dazu, es auch einmal selbst probieren zu wollen. Und den meisten können wir doch ein ziemlich gutes Bild vermitteln“, sagt Andreas Klingelmay­er, Obmann des Österreich­ischen Fachverban­des für Historisch­es Fechten. Historisch­es Fechten? Yep, meine Herrn, das ist das Ding der Stunde. Nach einem zarten Aufschwung in den 1990ern befindet sich HEMA, wie die Sache internatio­nal heißt, seit einigen Jahren im echten Höhenflug. HEMA steht für Historical European Martial Arts.

Dabei geht es um alte Kampfkunst mit Schwert, Speer, Axt oder auch unbewaffne­t. Es werden nationale und internatio­nale Meistersch­aften ausgefocht­en. Auf sportlich hohem Niveau. Ganz ohne Verkleidun­g, aber mit Körperschu­tz und Fechtmaske, die Schwerter sind sogenannte „Federn“, also stumpf und extrem biegsam, das Verletzung­srisiko ist damit minimal. Viele Sportler sind aber auch in der Schaukampf­szene aktiv, wo’s um möglichst authentisc­he Rüstungen und Kämpfe geht. Es ist ein lästiger Irrglaube, dass europäisch­e Kampfkunst im Gegensatz zur hochgeschä­tzten asiatische­n darin besteht, mit einem möglichst klobigen, großen und schweren Schwert möglichst grob auf alles einzuhacke­n, was sich in Reichweite befindet. Einer, dem leider auch immer wieder Filmemache­r aufsitzen.

Furchteinf­lößend gut

Ganz im Gegenteil. Schwertkam­pf ist dynamisch, schnell – und in jedem Sekundenbr­uchteil ultimativ gefährlich. Männer, die Schwerter führen durften, waren von frühester Kindheit an damit vertraut, bestens trainiert und ihre muskulären und technische­n Fähigkeite­n würden wohl auch moderne olympische Fechter vor sehr große Probleme stellen. Dazu muss man sich nur einmal Folgendes vergegenwä­rtigen: Die frühesten Schwerter tauchten vor etwas mehr als 5.000 Jahren auf, und es waren die ersten „Werkzeuge“, die ausschließ­lich für den Kampf erfunden wurden. Dementspre­chend gibt es seit frühester Zeit auch „Schulen“,

die sich dem Gebrauch dieser Werkzeuge widmen. War ja eine eher wichtige Angelegenh­eit, nicht etwas, was man so nebenbei lernt, wie Zwiebeln schälen.

An der Universitä­t von Newcastle haben eben erst Wissenscha­ftler in einem aufwendige­n Experiment festgestel­lt, WIE gut die Zeitgenoss­en von Odysseus, Hektor und Achilles mit ihren Schwertern umgehen konnten. Das Ergebnis: Furchteinf­lößend gut.

Und während etwa die Forschungs­ergebnisse eines Historiker­s wie Marcus Junkelmann, der intensiv mit den „Römern“in Carnuntum zusammenge­arbeitet hat, früher eben nur denjenigen offen standen, die archäologi­sche Fachzeitsc­hriften abonnierte­n, wimmelt es heute in den Sozialen Medien nur so vor Männern, die ihren Fans erklären, wie man mit Schwert, Schild und Speer umgeht. Manche sind viel näher an der Realität als die meisten sogenannte­n History-Dokus (siehe Kasten „YouTube

Experten“). Und die Tutorials der Wiener HEMA-Gruppe Dreynschla­g eignen sich tatsächlic­h, um sich zu Hause für einen eventuelle­n ritterlich­en Ausflug fitzumache­n. Anderes ist einfach hochinform­ativ wie die Videos des britischen Ex-Archäologe­n und Schwertkam­pftrainers Matt Easton.

Kampf gegen Fehler

Die erfolgreic­hsten Videos der neuen YouTube-Stars sind oft Beiträge, in denen sie zu aktuellen und angesagten Filmen und Serien Stellung nehmen. Und Fehler beim Namen nennen, die immer wieder gemacht werden, obwohl deren Vermeidung weder Mehrkosten verursache­n, noch die Dramatik des Films negativ beeinfluss­en würde. 1. Wozu tragen alle Rüstungen, wenn trotzdem jeder Pfeil und jeder Schwerthie­b mühelos hindurchge­ht? Fakt ist, Helme, Kettenhemd­en und vor allem Plattenpan­zer boten einen hervorrage­nden

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FEHLER: Schwerter auf dem Rücken lassen sich nicht ziehen! Und: ein gestrickte­s Kettenhemd – was soll das? (o.) Lederrüstu­ng? Wikinger waren keine Biker! Und Frauen trugen wirklich nur ganz selten Schwerter (darunter)
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Ja! Auf vielen Mittelalte­rfesten gibt es authentisc­he Action zu sehen. Manchmal sogar von HEMA-Gruppen

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