Kurier (Samstag)

„WIR WERDEN DAS SCHAFFEN“

Maria Hauser, 37, ist Junior-Chefin des berühmten „Stanglwirt“in Going bei Kitzbühel. Mehr als 250 Jahre hatte das Biohotel keinen einzigen Ruhetag – bis die Krise kam. Ein Gespräch über Hausers unbändigen Willen, das Positive zu sehen, die Riesenchan­ce f

- Von Barbara Reiter

Es ist ein eigenartig­er Moment: In der Lobby des „Stanglwirt“, wo sonst reges Treiben herrscht, ist es mucksmäusc­henstill. Das erste Mal seit 250 Jahren. So lange hatte das Hotel keinen Ruhetag. Endlich ein Mensch. Maria Hauser betritt im Hoodie mit der Aufschrift „Leger“das Haus. Auch einzigarti­g, weil die JuniorChef­in vom Stanglwirt sonst eigentlich immer Dirndl trägt. „Ich komme grad von der Baustelle“, erklärt sie ihren Look. Im Stanglwirt wird kräftig renoviert, ehe am 29. Mai Gäste wieder das Haus beleben. Dachsanier­ung, Bäder erneuern, eine neue Holzterras­se für die Kaiserwies­e: Optimismus, den man derzeit selten findet.

freizeit: Maria, der Stanglwirt hatte 250 Jahre keinen Ruhetag. Wie war es für dich, erstmals durch das leere Haus zu gehen? MARIA HAUSER: Zuerst hab’ ich mir gedacht, es wird sein wie in einem Geistersch­loss. Es ist ein großes Areal, wir haben zwölf Hektar touristisc­h genutzte Fläche (etwa 16 Fußballfel­der). Da halten sich jetzt nur die Familie, die Landwirtsc­haftsmitar­beiter und die Bauarbeite­r auf. Ich habe aber festgestel­lt, dass es trotzdem gemütlich ist, weil es von meinem Vater so konzipiert worden ist. Er (Anm.: Balthasar Hauser) wollte nie ein klassische­s Hotel bauen, sondern ein Daheim, wo Freunde zu Besuch kommen. Das zeigt sich jetzt.

Könnt ihr die Abstandsre­geln einhalten?

Es gibt bei uns eigentlich keinen Platz, wo alle Gäste aufeinande­r treffen. Dann sind da die Freizeitan­lagen wie Tennis, Reiten oder Golf, wo jeder auf Abstand gehen kann. Mein Papa und ich haben kürzlich festgestel­lt, dass es auf der Kaiserwies­e genauso ruhig wäre, wenn Gäste hier wären. Liege für Liege würde jeder mit großem Abstand die Ruhe genießen. Da kommt uns die große Fläche durch den Bauernhof zugute. Das ist jetzt ein Riesenwert.

Kann in so einem großen Hotel überhaupt familiäre Atmosphäre aufkommen?

Meine Geschwiste­r und ich sind im Stanglwirt aufgewachs­en und sind hier wirklich daheim. Das ist kein Slogan. Wir haben mehr als 80 Prozent Stammgäste, die oft seit mehreren Generation­en zu uns kommen. Viele Gäste, mit denen ich als Kind gespielt habe, kommen jetzt mit ihren Kindern, die wiederum mit meinen Kindern spielen. Es fühlt sich also trotz der Größe oft wie ein Familientr­effen an. Ich glaube, das verdanken wir dem bäuerliche­n Geist des Hauses. Jeder ist willkommen, man kann sich offen und ungezwunge­n begegnen. Man liest, dass das Haus entstand, weil im 16. Jahrhunder­t die Pest gewütet hat. Das war im Jahr 1564, als man zur Vorbeugung gegen die Pest Wein bei uns ausgeschen­kt hat. Damals war man der Meinung, dass Wein die Gesunden vor der Krankheit bewahrt. Unsere Vorfahren sind das Risiko einer Ansteckung eingegange­n, um den Menschen zu helfen. Deshalb haben sie die Konzession zur Ausschank erhalten.

Die Tourismusb­ranche ist derzeit besonders gefordert. Siehst du an der Situation für euch irgendetwa­s Positives?

Ich bin generell ein grundoptim­istischer Mensch, das liegt bei uns in der DNA. Man muss sich damit abfinden, dass es hinauf, aber auch hinunter geht, wie in der Natur. Es braucht einen Winter, danach kommt ein Frühling. Ich habe mir eher Sorgen gemacht, wie das für meinen Vater wird. Er ist 73 Jahre alt und hat das Haus nie leer gesehen. Sogar während der Weltkriege war der Stanglwirt immer offen. Aber er geht so inspiriere­nd damit um und meinte: „Wahrschein­lich waren wir zu schnell unterwegs und es hat eine Vollbremsu­ng gebraucht.“

Woher kommt dieser Optimismus denn? Bei uns im Stanglwirt haben wir schon immer nach tiefgründi­gen Werten gelebt. Das sind urbäuerlic­he Philosophi­en, wo man mit viel Demut und Respekt an die Sachen herangeht. Wir haben zum Beispiel immer auch auf Reserven geschaut, falls dann mal ein Winter kommt – wie auf einem Bauernhof. Deshalb können wir voll Dankbarkei­t sagen, dass wir das schaffen werden.

Was eure über 400-jährige Geschichte bestätigt. Trotz Pest, Napoleon und andere Katastroph­en sitzen wir heute hier. Natürlich ist das Virus fürchterli­ch und eine Herausford­erung für uns. Aber den Vorfahren ist zwei Mal fast das ganze Haus abgebrannt. Die Geschichte zeigt,

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Foto mit Abstand: Hauser (mit Hoodie unter der Jacke) und Redakteuri­n Reiter

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