Kurier (Samstag)

Oswald Oberhuber 1931–2020

Der vielseitig­e Künstler starb wenige Tage vor seinem 89. Geburtstag.

- VON THOMAS TRENKLER

Oswald Oberhuber, der kleine, unglaublic­h humorvolle Mann mit dem breiten Grinsen, war ein Charmeur der alten Schule. Der Südtiroler, am 1. Februar 1931 in Meran geboren, konnte auch ein giftiger Kobold sein, ein strenger Richter, ein streitbare­r Geist.

Und er prägte die österreich­ische Kunstszene in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts – als Ausstellun­gsmacher und Galerist, als Kunstvermi­ttler und Förderer sowie als Professor und Rektor der Angewandte­n, der in den 1970er-Jahren Joseph Beuys nach Wien holte.

Als Künstler zählte er in der Nachkriegs­zeit zur Avantgarde. Dass sein umfangreic­hes OEuvre allerdings nicht ganz so bekannt ist wie zum Beispiel jenes von Arnulf Rainer, hat einen entscheide­nden Grund: Oberhuber erhob schon früh, 1956, die „permanente Veränderun­g“zum Prinzip – und vermied, wenn möglich, Wiederholu­ngen.

Er wollte nur Werke schaffen, die einmalig sind. Daher tut man sich mitunter schwer, einen Oberhuber auf Anhieb zu erkennen. (Es gibt allerdings ein Erkennungs­merkmal: In der Regel ging der vor Ideen sprühende Künstler in seinen Bildern von der Kontur aus.) Die Breite seines Schaffens demonstrie­rte zuletzt, vor vier Jahren, eine umfangreic­he Retrospekt­ive im ehemaligen 20er Haus (nun Belvedere 21 genannt). Zweimal Documenta Oberhuber, gesundheit­lich schon schwer angeschlag­en, genoss die Ovationen. An der Angewandte­n war ihm nach seiner Pensionier­ung 1995 unterstell­t worden, Gelder veruntreut zu haben. Das hatte ihn ins Mark getroffen. Denn Oberhuber war immer großzügig, er butterte sogar sein eigenes Geld dazu, wenn das Budget für Projekte der Studierend­en nicht reichte.

Aber nun war er versöhnt mit der intrigante­n Kunstwelt.

Von 1945 bis ’49 hatte er die Bundesgewe­rbeschule in Innsbruck besucht, um Bildhauere­i zu lernen. Bereits damals schuf er informelle Skulpturen – und schon 1952 hörte er damit wieder auf. Denn, so Oberhuber 2016 in einem KURIER-Interview: „Plötzlich haben alle Bilder gespritzt. Das war eine vergnüglic­he Sache, weil ja leicht zu bewerkstel­ligen.“

Danach wollte Oberhuber an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Fritz Wotruba studieren. Doch er ergriff sogleich die Flucht: „Dort sah ich fünf Schüler, die Manderln in Wotruba-Art machten.“Man hätte ihm gesagt, dass auch er morgen mit Draht und Ton kommen solle: „Das war nichts für mich.“

In den 60er-Jahren näherte er sich der Pop-Art an: „Das hatte mit der Zeit zu tun. Es gab Bewegungen, die jeden Künstler erfasst haben.“Aber bald wandte er sich ab. Oberhuber

wollte es sich nicht einfach machen, er strebte nach Meistersch­aft – und verachtete die Routine: „Wenn ich fünf Striche zeichne – und das immer wieder wiederhole, so werden die Striche nicht besser. Es entsteht auch keine Verdichtun­g.“

Nächst St. Stephan

Doch Oberhuber arbeitete nicht nur als Künstler, sondern auch als Kunstvermi­ttler – ab 1964 für Monsignore Otto Mauer in dessen Galerie nächst St. Stephan. Es kam zur Rivalität mit Josef Mikl, Arnulf Rainer, Wolfgang Hollegha und Markus Prachensky: „Die vier haben Mauer erklärt: Entweder sie – oder Oberhuber. Und Mauer hat sich für mich entschiede­n. Weil ich gearbeitet hab’.“

Oberhuber leitete die Informatio­nsgalerie über den Tod des Kunstförde­rers hinaus – bis 1978. Von 1973 an war er zudem Professor an der Angewandte­n, 1979 wurde er Rektor. Und er machte die Hochschule zu einem progressiv­en Ort: Er holte z. B. Jörg Immendorff – und bemühte sich um Joseph Beuys, der von der Kunstakade­mie Düsseldorf geflogen war.

„Der Vertrag lag unterschri­ftsreif da. Aber dann erklärte Beuys, er mache alles umsonst. Und er unterschri­eb nicht. Hin und wieder hielt er einen Vortrag. Aber er wollte gar nicht nach Wien kommen. Es war eine reine Pflanzerei, ein Trick, den ich im ersten Moment nicht durchschau­te. Er wollte nur die Deutschen auf sich aufmerksam machen. Und die reagierten dann auch. 1980 wurde er Gastprofes­sor an der Städel-Schule in Frankfurt.“Je länger er Beuys kannte, desto unsympathi­scher sei er ihm geworden.

Oberhuber war Rektor bis 1987 – und dann, ab 1991, noch einmal für vier Jahre. 1993, lange nach dem Tod des deutschen Filz-und-FettKünstl­ers, begann ein kapitaler Streit über den „Wiener Werkblock“von Beuys. Heiner

Bastian, dessen ehemaliger Sekretär, hatte die rund 70 Arbeiten im Besitz des Galeristen Julius Hummel als Fälschung bezeichnet, Oberhuber hingegen bestätigte die Echtheit,widerrief dann aber. Künstleris­che Vielfalt Wirklich geklärt wurde die Sache nie. Anzunehmen ist, dass es sich um Schenkunge­n von Beuys an Oberhuber handelte – bzw. um Gemeinscha­ftsarbeite­n. Doch „Ossi“, wie er genannt wurde, nahm nie mehr dazu Stellung.

Zuletzt rückte Agnes Husslein als Belvedere-Direktorin Oberhuber ins Rampenlich­t: 2009 durfte er mit der Einzelauss­tellung „Die Leidenscha­ften des Prinzen Eugen“seine künstleris­che Vielfalt darstellen. Nun, nach langer, schwerer Krankheit ist Oberhuber, der Österreich 1972 auf der Biennale Venedig vertrat und zweimal an der Documenta teilnahm, gestorben – zwei Wochen vor seinem 89. Geburtstag.

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 ??  ?? Ein halbes Jahrhunder­t liegt zwischen dem Selbsportr­ät „Ich“(1964) von Oswald Oberhuber und dem Foto, das 2016 bei einem Interview entstanden ist
Ein halbes Jahrhunder­t liegt zwischen dem Selbsportr­ät „Ich“(1964) von Oswald Oberhuber und dem Foto, das 2016 bei einem Interview entstanden ist
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