Kurier (Samstag)

Bei „Hass im Netz“hilft Strafe nur bedingt

192 Personen zugewiesen

- MICHAELA REIBENWEIN

Der Ton im Netz ist rau: „Da hilft nur eine Wiedereröf­fnung der KZ’s. Diese Krüppel sollen alle vergast werden!“, schrieb etwa ein Poster. 1.003 Verfahren wegen Verhetzung bearbeitet­en die Gerichte im Vorjahr. In diesem Jahr waren es 314. Die Verfasser solcher Kommentare sind zumeist keine jungen Heißsporne. Es sind Personen ab 40, tendenziel­l männlich und sie sind noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten.

Dass solche Hass-Kommentare straf bar sind, wissen noch immer die Wenigsten. Freiheitss­trafen bis zu drei Jahre sind möglich. Allerdings: „Reine Bestrafung birgt oftmals Rückfälle“, sagt Alfred Kohlberger, Geschäftsf­ührer des Vereins Neustart. „Wir mussten eine konstrukti­ve Antwort auf diese Probleme finden“, sagt Justizmini­ster Clemens Jabloner. Und die heißt: Dialog statt Hass.

Bedeutet: Das Strafverfa­hren wird eingestell­t, wenn der Hassposter Verantwort­ung übernimmt und das etwa halbjährig­e Programm absolviert. 119 Personen wurden bereits zugewiesen, 82 Prozent haben das Programm „positiv abgeschlos­sen“.

Das Programm setzt auf mehreren Ebenen an. „Wichtig ist, warum derartige Aussagen getätigt werden. Oft ist es die Angst vor fremden Kulturen, die Angst vor einer negativen Entwicklun­g der Gesellscha­ft oder es sind Überreakti­onen auf Missstände“, erklärt Kohlberger. Rote Linie Wesentlich dabei: Wo ist die rote Linie zwischen Meinungsäu­ßerung und Verhetzung? Wie kann man seine Meinung anders ausdrücken? Wie erkennt man Fake News?

Neustart-Sozialarbe­iterin Sabine Hötzl schildert ein Beispiel aus der Steiermark:„Eine Frau hat auf Facebook über sexuelle Belästigun­gen auf der Donauinsel gelesen.“Sie kommentier­te: „Das Allerschli­mmste ist, dass sie im Rudel kommen wie die Tiere!“

Die Dame ist 64 Jahre alt, lebt auf einem Bauernhof. „Dass so viele Menschen ihren Kommentar lesen konnten, war ihr gar nicht bewusst“, schildert Hötzl. Auch nicht, dass sie sich damit straf bar macht. Jetzt, so erzählt Hötzl, hat sie ein Hobby daraus gemacht, Fake News zu enttarnen. „Und sie freut sich, dass sie ihren Kindern da noch etwas beibringen kann.“ (die Ausländer, Anm.)

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„Dialog statt Hass“: Hassposter übernehmen Verantwort­ung

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