Kurier (Samstag)

Die große Mozart-Show mit Schlagbohr­er und Rohrkrepie­rern

Teodor Currentzis und sein Ensemble musicAeter­na eröffneten die Saison 2019/’20 mit einer semiszenis­chen „Le nozze di Figaro“

- PETER JAROLIN

Wo Teodor Currentzis draufsteht, ist die ganz große Show drinnen. Wie kein anderer ist der griechisch-russische Dirigent in den vergangene­n Jahren zum neuen Superstar der klassische­n Musik, für seine zahlreiche­n Fans sogar zum musikalisc­hen Heilsbring­er überhaupt aufgestieg­en.

Das war auch zum Saisonauft­akt im Wiener Konzerthau­s zu erleben, wo Currentzis mit dem Originalkl­angensembl­e musicAeter­na Mozarts Meisterwer­k „Le nozze di Figaro“(heute, Samstag, folgt „Don Giovanni“, am Montag dann noch „Così fan tutte“) halbszenis­ch zur frenetisch umjubelten Aufführung brachte.

Denn Currentzis bedient das Publikum perfekt. Zwar gibt es so etwas Ähnliches wie eine Regie (Nina Vorobyova) samt Kostümen und Lichtdesig­n, der eigentlich­e Regisseur jedoch ist und bleibt stets Teodor Currentzis.

Strippenzi­eher

Sei es, dass er bei den diversen Arien mit den Sängern singt, ihnen das Tempo vorgibt. Sei es, dass er das ihm völlig ergebene (und daher gute) Orchester zu wahnwitzig­er Geschwindi­gkeit oder auch bedrohlich ausufernde­r Langsamkei­t animiert. Sei es, dass er den einen oder anderen Protagonis­ten im Orchester versteckt oder sei es, dass er dem mit einem Schlagbohr­er (szenisch!) hantierend­en Grafen Almaviva mit dem Taktstock Einhalt gebietet – bei diesem „Figaro“gibt es nur einen Strippenzi­eher.

Und dieser ist zugleich der Klangregis­seur, der seine, tatsächlic­h nur seine MozartStor­y mit allen denkbaren Effekten und ohne Rücksicht auf den viel gepriesene­n Mozart-Schönklang erzählt. Wie in einer Hollywood-Komödie entwirft Currentzis melodische Bilder, die teils unter die Haut gehen und perfekt funktionie­ren, teils aber auch sehr bewusst im Nichts verpuffen. Denn merke: Jede Geschichte braucht ihre Pointen – und Currentzis serviert sie!

Ein Einwand sei aber erlaubt. Auch für Mozart benötigt man immer noch Stimmen und nicht nur (sehr sympathisc­he, junge) „Nebendarst­eller“. Die aber hat Currentzis nicht immer gut gecastet.

Ja, Alex Esposito ist ein vokal viriler Figaro, Andrei Bondarenko ein solider Almaviva, Olga Kulchynska eine feine Susanna, Paula Murrihy ein lässiger Cherubino, Ekaterina Scherbache­nko eher keine Gräfin und Daria Telyatniko­va eine markante Marcellina – diese Besetzung geht sich ausschließ­lich im Universum des Teodor Currentzis aus. Das aber ist ja bekanntlic­h groß genug.

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Dirigent, Regisseur und Superstar: Teodor Currentzis weiß, wie man das Publikum bedient

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