Chaos, Zufall und neue Ordnung
Federico León faszinierte mit einem irrwitzigen Jahrmarkt
Möglicherweise steckt ja mehr dahinter als nur ein Organisationschaos. Am Donnerstag fanden bei den Wiener Festwochen gleich mehrere Premieren statt – quasi als letztes Aufbäumen vor dem Ende. In den Gösserhallen breitete Sarah Vanhee, 1980 in Belgien geboren, mit großer Langmut auf dem Boden den anorganischen Müll aus, den sie im Winter 2014/’15 angehäuft hat: Plastikverpackungen, Teebeutel, Wattepads, Konservendosen und viel unidentifizierbares Zeugs. Vanhee brachte ihren persönlichen Abfall in eine neue Ordnung. Dazu erzählte sie auf Englisch eine absurde Geschichte über Spam.
Den Ausgang der Darbietung konnte der Autor dieser Zeilen nicht miterleben. Er ging, als sechs der 42 Kartons ausgepackt waren. Denn parallel dazu fand in einer anderen Halle unter dem Titel „Yo escribo. Vos dibujás“(„Ich schreibe. Du zeichnest“) eine turbulente, geradezu aberwitzige Performance statt: Der argentinische Regisseur Federico León thematisierte das Phänomen der Synchronizität und die Frage, ob sich Ereignisse zufällig absichtlich oder doch absichtlich zufällig gleichzeitig ereignen. In seinem Chaos-Jahrmarkt ließ er an verschiedenen Stationen die Akteure recht absurde Tätigkeiten vollführen.
Der Hütchen-Trickser belohnt jene, die einen Euro gesetzt und richtig getippt haben, mit einem Cent. Gleichzeitig mixt er den immer gleichen Cocktail. Gleichzeitig wirft jemand Salti schlagend Basketbälle in den Korb. Gleichzeitig spielt ein Großmeister Schach gegen drei Anfänger – auf einem Tisch anderswo liegen die Figuren, aus Schokolade gegossen und angebissen. Gleichzeitig verteilt ein Skateboard-Fahrer Zettel mit Hinweisen. Gleichzeitig schießen Männer Tennisbälle mit PlastikPumpguns auf eine Wand. Gleichzeitig versuchen welche, Tischtennisbälle mit umgebauten Ventilatoren in einen Kübel zu blasen. Seifenblasen, also Bälle der anderen Art, entströmen einem Kühlschrank. Und so weiter.
Später geriet alles durcheinander – und alles verband sich, wie in Peter Handkes ähnlich gelagertem Stück „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“, zu einer neuen Ordnung. Leider ist der Bruch zum zweiten Teil – dem Volkshochschulvortrag einer Astrologin mit Verweisen auf Paul Auster und C.G. Jung – ein wenig zu hart. Klasse war’s trotzdem!