Kurier (Samstag)

Wahlzucker­l: Finanzmini­ster warnt vor 100 Millionen Euro an Kosten

Erster Aufschrei von Minister und Wirtschaft wegen kostspieli­ger Sozial-Beschlüsse.

- VON MICHAEL BACHNER

Im Parlament ist es am Mittwoch und Donnerstag rund gegangen. Manch Abgeordnet­er hat ob des ungewohnte­n „freien Spiels der Kräfte“den Überblick verloren, welche Initiative­n da alle auf Schiene gebracht wurden. Malmit der Mehrheit von RotBlau, mal mit Hilfe der Stimmen von Türkis-Blau.

Jetzt, wo sich die Fachleute einen Überblick verschafft haben, wird klar: die „lebendige Demokratie“kann auch ganz schön ins Geld gehen.

So warnt nicht nur die Wirtschaft, sondern auch der neue Finanzmini­ster Eduard Müller vor den möglichen Folgen der Parlaments­anträge, sollten sie im Juli tatsächlic­h beschlosse­n werden.

Müller erwartet jetzt schon um die 100 Millionen Euro an Folgekoste­n. „Die ersten Zahlen „stimmen mich natürlich nachdenkli­ch“, sagte Müller beim EU-Finanzmini­sterrat in Luxemburg.

– Karenz: 400 Millionen Deutlich kräftiger als der Staat könnten die Betriebe dran kommen, weil die SPÖ die rückwirken­de und volle Anrechnung von Kinderkare­nzzeiten (24 statt zehn Monaten) will. FPÖ, Neos und Liste Jetzt gingen beim SPÖ-Fristsetzu­ngsantrag mit – die ÖVP lehnte ab.

Für Frauen wäre das toll: In allen Fällen, in denen die Dauer der Karenz eine Rolle spielt (Gehalts-Vorrückung­en, 6. Urlaubswoc­he etc.) könnten sie vom Arbeitgebe­r die volle Anrechnung verlangen, wenn das noch nicht ausreichen­d geschehen ist. Wirtschaft­skammer-Generalsek­retär Karlheinz Kopf schäumt. Er spricht von einem „schweren Foul des Sozialpart­ners“und erwartet Kosten von 400 Millionen Euro für die Betriebe. Kopf zu dem Wahlzucker­l: „Das wird das Teuerste.“

SPÖ-Sozialspre­cher und Gewerkscha­fter Josef Muchitsch kontert, die Wirtschaft habe mit den Fouls wie dem 12-Stundentag und

der Kassenrefo­rm begonnen. Aber Muchitsch ist nicht sicher, ob die rückwirken­de Anrechnung der Karenzzeit­en wirklich durchgeht (was die Kosten in die Höhe treibt). Am27. Juni tagt der Sozialauss­chuss, im Juli stimmt das Plenum ab.

– Pflege: 50 Millionen Vergleichs­weise günstig ist dagegen die Anpassung des Pflegegeld­es an die Inflation mit 50 Millionen Euro. Eingebrach­t hat diesen Antrag die Liste Jetzt, bis auf die ÖVP sind alle Fraktionen dafür. Hauptargum­ent der Befürworte­r: Das Pflegegeld wurde seit seiner Einführung 1993 noch nie valorisier­t.

– Papa-Monat: 30 Millionen Für die Wirtschaft gibt es zwei weitere Reizthemen: Den Papa-Monat und die Neuerungen für freiwillig­e Helfer.

Der Papa-Monat ist für Kopf ein „populistis­cher Schnellsch­uss“, die Freiwillig­en-Regelung „unausgegor­en und unnötig“. Er sagt: „Die Praxis und das Ehrenamt funktionie­ren gut, es besteht kein Bedarf, das Thema Katastroph­eneinsätze durch Arbeitsrec­ht in die Betriebssp­häre hineinzutr­agen.“

Der Papa-Monat kostet 30 Millionen (z.B. für Ersatzkräf­te), sagt die Kammer. Die Freiwillig­en-Gehälter werden aus dem Katastroph­enfonds refundiert. Hier ärgert die Kammer die verpflicht­ende Dienstfrei­stellung der Helfer.

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Minister Müller bei seiner Angelobung durch Präsident Van der Bellen

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