Kurier (Samstag)

Leben am Abgrund

Die Österreich­er David Lama (Bild) und Hansjörg Auer riskierten viel und starben. Was Extremberg­steiger antreibt.

- VON MARKUS STROHMAYER

„Das Leben ist nicht zum Überleben da, das hat noch keiner geschafft“, meint Extremberg­steiger Andy Holzer in einer ersten Reaktion auf das Lawinenung­lück der Österreich­er David Lama und Hansjörg Auer in Kanada. Die beiden hätten ihr Leben so gelebt, wie sie es wollten. Da ist er sich sicher, selbst wenn er die beiden Kletterer nur entfernt kannte. Holzer versteht etwas vom Leben am Limit. Der 52-Jährige ist von Geburt an blind. Trotzdem hat er 2017 den Mount Everest bestiegen.

Geht es Menschen wie ihm um die Gefahr? Laut dem Sportsozio­logen Otmar Weiß nicht unbedingt. „Schneller, höher, weiter, das entspricht dem menschlich­en Naturell. Wir definieren uns über Leistung.“Hinzu komme, dass Athleten bei Grenzgänge­n einen Zustand des „Flows“erreichen. „Sie blenden dann alles aus, das ist mit einem Drogenraus­ch zu vergleiche­n.“Problemati­sch daran sei, dass eine Art Sucht entstehen könne, die schwer zu kontrollie­ren sei.

Spricht man mit Kletterkol­legen, dürfte das bei Auer und Lama nicht der Fall gewesen sein. Thomas Huber, Klettergrö­ße und enger Freund der beiden, spricht von zwei der weltbesten, aber auch sicherheit­sbewusstes­ten Alpinisten. Trotz ihres jungen Alters hätten sie alle Gefahren gekannt. Huber spricht aus Erfahrung: „Hansjörg wusste, was es heißt, an der Gratkante des Lebens unterwegs zu sein, aber er hatte dabei eine gewisse Sicherheit. Ich war selbst mit ihm am Seil unterwegs.“

Kunst des Umkehrens

Auch der 28-jährige Superstar der Szene, der 1990 in Innsbruck geborene David Lama, war kein rücksichts­loser Adrenalinj­unkie. In einem KURIER-Gespräch vergangene­s Jahr sagte er: „Es ist wichtig, dass man sich immer vor Augen hält, was passieren kann. Ab einem gewissen Punkt darf man nicht am Ziel festhalten, dann geht es nur ums Überleben und ums Runterkomm­en.“Diese Vernunft habe Lama ausgezeich­net, meint sein Mentor, Kletterleg­ende Peter Habeler: „David hat bei widrigen Bedingunge­n die Kunst des Umdrehens beherrscht.“

Habeler und Huber könnten sich deshalb vorstellen, dass der Unfall an einer nicht extrem schwierige­n Stelle passierte. Tatsache ist, dass Auer und Lama – wie alle Extremberg­steiger – ihre Grenzen gesucht haben. Huber, der 2016 ungesicher­t 16 Meter abgestürzt war und nur einen Monat später wieder auf Expedition ging, glaubt deshalb nicht, dass das Unglück für den Kletterspo­rt einen Dämpfer bedeutet. „Mit dem Vorfall wurde ein Loch in die Szene gerissen, aber wir kennen das Risiko. Wir hören deswegen nicht auf. Wir gehen unseren und somit ihren Weg weiter.“

Keine Geldfrage

Sportsozio­loge Weiß sieht das ähnlich. Er unterschei­det zwischen inneren und äußeren Motivatore­n. Mit ersterem meint er den Wunsch, besser zu werden. Äußere Faktoren wären beispielsw­eise Sponsoreng­elder. Der innere Antrieb sei wesentlich stärker. Weiß ist darum der Meinung, dass das Maximum an Gefahr noch nicht ausgereizt ist: „Solche Menschen sind sehr kreativ, wenn es um neue Herausford­erungen geht.“

Den Sponsoren ist das recht. Spektakulä­re Leistungen ihrer Athleten – samt prominente­r Platzierun­g des eigenen Markenlogo­s – sind damit gewiss. Weniger beliebt ist das Thema verletzter oder gar verstorben­er Extremspor­tler. Eine Spiegel-Recherche zeigte 2017, dass bei Lama-Sponsor Red Bull Informatio­nen zu verunglück­ten Markenbots­chaftern auf den hauseigene­nMedienpla­ttformen spärlich gesät sind.

Auch auf eine KURIERAnfr­age zum aktuellen Fall reagierte der Energydrin­kHerstelle­r wortkarg: Man wolle die endgültige­n Suchergebn­isse abwarten. Auf Sicherheit­sbedenken geht man in dem Schreiben nicht ein. Huber betont trotzdem, dass jeder Alpinist frei entscheide­t: „So ein Risiko nimmt man für keinen Sponsor in Kauf.“Er hoffe, der Alpinismus werde jetzt nicht verteufelt. „Es ist schrecklic­h genug, den David und den Zillertale­r-Bua Hansjörg nicht mehr zu sehen.“Aber am Berg, das sei eine wunderschö­ne Freiheit.

„Es ist schrecklic­h, die beiden zu verlieren. Aber man sollte den Alpinismus deshalb nicht verteufeln.“Thomas Huber Extremberg­steiger

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 ??  ?? David Lama (28) war nicht nur einer der besten, sondern auch ein sehr sicherheit­sbewusster Extremberg­steiger. TopKletter­er Hansjörg Auer (35) aus dem Ötztal war der Partner Lamas bei der Tour in Kanada
David Lama (28) war nicht nur einer der besten, sondern auch ein sehr sicherheit­sbewusster Extremberg­steiger. TopKletter­er Hansjörg Auer (35) aus dem Ötztal war der Partner Lamas bei der Tour in Kanada

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