Innovative Baustoffe & Systeme
Forschung. Bakterien im Beton, temporäre Systeme bei Hochwasser und ein Supermaterial: Beispiele aus Forschung und Baupraxis bergen hohes Potenzial
Die Qualität eines Gebäudes hängt vom Baumeister, seinen Mitarbeitern, aber auch von den Eigenschaften der verwendeten Baumaterialien ab. Neben bewährten Baustoffen undMethoden forschen Wissenschaftler weltweit an neuen Materialien oder Systemen für nachhaltiges und effizienteres Bauen. Einige wenige innovative Baustoffe werden für erste Pilotprojekte eingesetzt. Und nur eine kleine Schar von ihnen wird anschließend zur Marktreife weiterentwickelt und in der Praxis verwendet. Wir stellen fünf besonders vielversprechende neue Entwicklungen vor.
Ultraleicht und stark
Spätestens seit der Physiknobelpreis des Jahres 2010 anAndreGeimundKonstantin Novoselov ging, gilt Graphen als das Wundermaterial für die Zukunft. Wissenschaftler am Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben nun aus Graphenflocken, die erhitzt undunter Druck gesetzt werden, ein neues Supermate- rial entwickelt. Es soll vom Gewicht her leichter als Plastik, aber dennoch zehnmal so hart wie Stahl sein. „Wir wollten schauen, welches das stärkste Material ist, das wir produzieren können“, sagt Zhao Qin, einer der Projektleiter. Damit ist den MIT-Wissenschaftlern ein Durchbruch gelungen: Sie haben es erstmals geschafft, die Eigenschaften von Graphen von der zweiten in die dritte Dimension zu überführen. Trotz hohem Potenzial konnten alle Experimente mit dem komplizierten zweidimensionalen Kohlenstoffprodukt bisher keine anwendungsreifen Ergebnisse hervorbringen. „Die auf denersten Blick fast magisch wirkenden Eigenschaften von Graphen hängen nicht nur davon ab, welche Atome verwendet werden. Das Geheimnis liegt viel eher darin, in welcher Struktur diese Atome angeordnet sind“, so Markus Buehler, ebenfalls Projektleiter. Er ist zuversichtlich, dass mit dem neuen Material beispielsweise Brücken gebaut werden, die ultrahart, leichtgewichtig und besonders hitzebeständig sind.
Cooles System
Aufgrund der topographischen Gegebenheiten ist Österreich Naturgefahren wie Hochwasser, Muren und Lawinen besonders ausgesetzt. In den letzten Jahren hinterließen große Hochwasserereignisse beträchtliche Schäden. Bislang gab es keine temporären Systeme, die das Eindringen des Wassers verhindern konnten – außer sie waren extrem aufwändig und kostenintensiv. Das Institut für Flachdachbau und Bauwerksabdichtung hat dazu geforscht und ein System entwickelt. Wie im Endbericht des Forschungsprojekts steht, soll das System i mWesentlichen aus Kunststoffplatten bestehen, die bei Hochwassergefahr oberhalb der erdbe- rührten Kellerwände in Metallschienen im Sockelbereich montiert werden. Das System muss dabei in geeigneter Weise an die wasserundurchlässig ausgeführten Kellerwände anschließen. Die Kunststoffplatten liegen an der Außenhülle des Gebäudes auf und sind im gesamten Umfang selbsttragend. Somit wird der entstehende Wasserdruck bei Hochwasser von der Außenwand aufgenommen. Der Bewässerungsversuch an einer in einem Modell dargestellten Fassadenoberfläche hatte bewiesen, dass das geplante Abdichtungskonzept bis zu einer Wasseranstauhöhe von 100 cm erfolgreich umzusetzen ist.
Betonbakterien
Beton ist der Massenbaustoff unserer Zeit. Neben den zahlreichen Vorteilen, hat der Kunststein aber auch Nachteile. So verursachen Risse im Beton Instandhaltungskosten in Milliardenhöhe. Wäre es da nicht wunderbar, wenn sich solche Betonrisse ganz einfach von selbst wieder verschließen würden? Klingt nach Zauberei, ist aber Wissenschaft. Der Mikrobiologe Hendrik Jonkers hat einen selbstheilenden Beton erfunden. Dazu hat sich der Niederländer die Natur zum Vorbild genommen. Die Betonmischung enthält kalkproduzierende Bakterien. Durch deren Wirken sollen teure und komplizierte manuelle Reparaturen von Betonbauten künftig überflüssig werden.
Der Clou ist: Die Bakterien werden in wenige Millimeter große Tonpellets eingekapselt – zusammen mit Stickstoff, Phosphor und einem Nährstoff auf Kalziumlaktat-Basis. Derart eingeschlossen können sie theoretisch bis zu 200 Jahre „schlafend“im Beton verharren. Aktiv werden sie erst, wenn Wasser durch Risse in die Betonkonstruktion ein- dringt. Erst dann nehmen die Bakterien die Nährstoffe auf und beginnen Kalkstein zu produzieren. Mithilfe des Kalks sollen sich die Risse dann selbstständig verschließen, ohne dass der Mensch eingreifen muss.
Stark gegen Hagel
Die Holzforschung Austria, die Österreichische Gesellschaft für Holzforschung, beschäftigt sich zurzeit unter anderem mit Beschichtungssysteme für Holz im Außenbereich. Sie sollen in ihrer Beständigkeit gegen Hagelschlag deutlich verbessert werden. Dieser Bedarf besteht, weil die üblichen Nadelholzarten, die im Außenbereich mit Beschichtungen zur Anwendung kommen, eine geringe Oberflächenhärte verglichen mit anderen Baustoffen haben. Eine Grundlage bildet die Klärung der Vorgänge bei der Entstehung von Folgeschäden nachHagelschlag. Ziel ist die Entwicklung von Lösungen für das Gesamtsystem Holzuntergrund – Beschichtung. Es werden Verbesserungen der mechanischen Filmeigenschaften der Beschichtung, die Nutzung von Selbstheilungsmechanismenunddie Modifikationen des Holzuntergrundes angestrebt.