Vor ihrem Urlaub holte Merkel der Unionsstreit nochmals ein
Sommerpressekonferenz.
Bevor die deutsche Kanzlerin zu sehen ist, vergehen ein paar Minuten: Eine Mauer von Fotografen hat sich gestern vor dem Pult der Bundespressekonferenz aufgebaut und knipst wie wild. Angela Merkel setzt sich hin, lächelt bemüht. Hinter ihr liegt ein wochenlanger, nervenzerrender Streit über die Asylpolitik, der vorerst beendet ist.
Also, alles gut? Nein, ihre Autorität ist angekratzt, der Streit kann erneut ausbrechen, sollte Innenminister Horst Seehofer keine bilateralen Abkommen für die Rückweisung von Asylsuchenden erzielen. Doch bevor sie das Wort hat, schnellen die Hände der Reporter in die Höhe. Aber die Kanzlerin holt erstmal aus und will auf das lenken, was durch den Streit überlagert wurde: Initiativen gegen Langzeitarbeitslosigkeit, Strategie zur Künstlichen Intelligenz – um dann die ersten Fragen zum Unionsstreit zu beantworten.
Kurskorrektur
Klar, dieser hat nach 100 Tagen diese Regierung geprägt, wird auch ein Kapitel in ihrer Kanzlerschaft sein. Und was gestern erneut deutlich wird, ihr geht es darum, wie man diese Geschichte erzählen wird. Merkel beansprucht dieses Narrativ für sich: Man habe nun einen Kompromiss gefunden, der von ihren Über- zeugungen geleitet ist: „Nicht einseitig, unabgestimmt und zulasten Dritter zu handeln.“Was sie seit Wochen gebetsmühlenartig wiederholt, tut sie auch gestern. Es klingt wie eine Selbstvergewisserung.
Was aber auch Teil der Geschichte ist: Merkel hat im Zuge dessen auf EU-Ebene einem Flüchtlingskurs zugestimmt, der im Sinne ihrer Gegner ist: Abschottung. Wobei sie gestern doch eine Fußnote setzt: Sie habe Sorge, dass der Außengrenzschutz als einseitiges Vorgehen verstanden werde, daher müsse man auch mit den afrikanischen Ländern sprechen, nicht über sie.
Zurück zu Seehofer. Bei aller Sachlichkeit kann sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Verhältnis zerrüttet ist. Ob sie noch mit ihm zusammenarbeiten könne? „Für mich ist der Maß- stab, dass Minister nur jemand sein kann, der diese Richtlinienkompetenz akzeptiert“, damit weist sie ihn erneut in die Schranken.
Und hat auch zum rhetorischen Rechtsruck der CSU eine Botschaft: Sprache sei ein „Ausdruck von Denken, und das kann auch Spaltung befördern“, deswegen „muss man sehr vorsichtig sein“. Auch die Form, in der die Auseinandersetzung intern geführt worden sei, sei „sicherlich noch verbesserungsfähig“. Die Tonalität war „teils sehr schroff “– so viel Einblick in das Innenleben der Kanzlerin, wo alles andere abzuprallen scheint. An Rücktritt habe sie zuletzt nie gedacht, wiederholt dies drei Mal mit „Nein“. Erschöpft? „Ich klage nicht.“Aber, sie freue sich auf ein paar Tage Urlaub und mehr Schlaf.