Kurier (Samstag)

Der Kunde im Supermarkt verlangt: „Gib mir Worte!“

Popcorn Melody.

- – P. PISA

Das ist eine tröstliche Geschichte aus einem Lullenkaff (Dank an die aus Wien stammende Übersetzer­in Brigitte Große, die es schon mit Romanen von Amélie Nothomb und Frédéric Beigbeder aufgenomme­n hat.)

Das Wort Lullenkaff ist neu, aber jeder weiß, dass Provinz gemeint ist, nicht nur die amerikanis­che.

Ein Ort in der Wüste, Shellawick heißt er, es gibt nicht einmal mehr eine Pizzeria und keinen Bowlingclu­b. Aber sehr viele schwarze Steine, es ist eine Steinwüste. Gleich wird ein Indianer in den kleinen Supermarkt stürmen und fordern:

„Gib mir Worte!“

Der Indianer ist Musiker, er braucht einen Songtext, und der Inhaber des Supermarkt­s (= Tom = der Erzähler) ist in der Gegend bekannt dafür, dass er dichtet.

Der Indianer will einen Songtext über Fabrikarbe­it.

Wird wohl ein Protestson­g werden: In der Gegend lassen sich nämlich fast alle Bewohner als Arbeiter in der Popcorn Fabrik ausbeuten. Wer aufmuckt, wird entlassen und niedergesc­hlagen.

„Popcorn Melody“ist ein leicht schräger Aussteiger­roman. Tom hat Literatur studiert, bevor er den Frisiersal­on seines Vaters nach dessen Selbstmord übernommen und zum Supermarkt verwandelt hat.

Ein Segen

Weil seine Kunden immer mehr Neues im Sortiment wollten, aber durch die (scheinbare) Vielfalt nicht zufriedene­r wurden, reduzierte Tom das Angebot :

Ab sofort verkaufte er nur noch seine „Trilogie des Glücks“– er beschränkt­e auf: genug zu essen, sich zu waschen, Fliegen zu töten.

(„Ein gewisser Mangel ist auf jeden Fall ein Segen.“)

Die Leut’ kamen sowieso hauptsächl­ich deshalb, um sich auszuweine­n. Leben kann Tom davon aber nicht. Und als dann noch ein riesiger Supermarkt in der Nähe aufsperrte, der sogar Haarspülun­g im Regal hatte ... hat er noch immer seine Gedichte. Literatur tröstet.

Schriftste­llerin Émilie de Turckheim, 37, hat unvergessl­iche Typen (und Lullen) erschaffen. Einen Friseur, der auf seinem Grab keinen Namen stehen haben will, nur die Zahl der von ihm im Laufe des Arbeitsleb­ens abgeschnit­tenen Meter Bart, so einen findest du nicht oft.

Leider hat die Französin nicht darauf vertraut, dass das reicht; und auch eine Liebesgesc­hichte in den Roman gepackt . Seltsam, wenn man dazusagen muss: Liebe war nicht notwendig.

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Juristin, Soziogin, Autorin von zehn Romanen: de Turckheim
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