Das Geschäft mit Cannabis floriert: Nur Blühen ist streng verboten Gratis-Nachhilfe wird allzu großzügig finanziert
Volkshochschulen.
Manchmal flunkert Alex Kristen, wenn die Sprache auf seinen Beruf kommt. Denn der 44-Jährige ist Hanfbauer – und zwar ein ganz legaler. „Normalerweise sag’ ich das auch, wenn ich gefragt werde. Aber wenn ich müde bin, sage ich lieber, dass ich ein Garten-Fachgeschäft habe“, lacht er. Diskussionen sind bei seinem Beruf vorprogrammiert.
Im Industriegebiet von Brunn/Gebirge (NÖ, Bezirk Mödling) hat Kristen vier Hallen angemietet. „Flowery Field“– die etwas andere Blumenhandlung – steht vis a vis von einer Armaturen-Firma und einem Würstelstand. Wo Kristen auch Gegenwind entgegen bläst: „Ah! Der Giftler!“, wird er von manchen Gästen begrüßt. Darüber muss er lachen: „Das sagen die, die schon am Vormittag Alkohol trinken.“
Sein Geschäft ist legal. Dashat das Oberlandesgericht nach langem Rechtsstreit bescheinigt. Denn: Bei Kristen werden ausschließlich HanfStecklinge verkauft. So lange sie nicht blühen, produzieren sie kein THC – und haben somit auch keine berauschende Wirkung. Damit die Pflanzen nicht zu blühen beginnen, werden sie täglich 18 Stunden beleuchtet.
Dazu kommt ein ausgeklügeltes Klimasystem: 26,1 Grad hat es selbst an den heißesten Tagen. Entsprechend gesalzen ist die Stromrechnung: „Alle zwei Monate zahle ich 30.000 Euro.“
Hanfzucht ist harte Fließbandarbeit. 30 Mitarbeiter hat Kristen insgesamt, ein Teil ist den ganzen Tag damit beschäftigt, die Triebe von den Mutterpflanzen zu schneiden. Patrick ist einer davon. „Eigentlich wissen alle, was ich beruflich mache“, sagt er. „Nur meine Omanicht. Die würd’ mich enterben.“
Tausende Pflanzen
Im nächsten Arbeitsschritt werden die abgeschnittenen Stecklinge verpflanzt. Dann kommen sie in die Nebelkammer, wo sie Wurzeln schlagen. Tausende Hanfpflanzen stehen in Brunn. Wie viele genau, verrät Kristen nicht. Sehr wohl aber seinen jährlichen Umsatz: Der beträgt vier Millionen Euro. „Damit den Leuten auch bewusst wird, was wir an Steuern zahlen.“
Dennoch: Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich der fast fertige Jurist – ihm fehlt nur noch die letzte Prü- fung – bewegt. „Ich bin als Student zum ersten Mal mit Cannabis in Berührung gekommen.“Und da sei ihm erst bewusst geworden, wie verbreitet der Cannabis-Konsum ist. „Ich verstehe nicht, warum man so viele Menschen kriminalisiert.“
Dennoch hält er sich strikt an die Regeln. Bei ihm kann man auch Blumenerde, Dünger und andere Pflanzen kaufen. Die sind aber nicht so gefragt. „Manchmal geben wir sie unseren Kunden einfach so mit“, lächelt er. Seine Verkäufer sind ausdrücklich darauf geschult, keine Auskunft darüber zu erteilen, wie man die Stecklinge zum Blühen bringt. Ein Hinweis liegt auf der Verkaufstheke. „ Aus gegebenem Anlass möchten ir Dich darauf aufmerksam machen, dass ir ausschließlich Pf lanzen zu Zierz ecken erkaufen.“
Die Liebe zur Botanik ist bei Kristens Mitarbeitern Pro- gramm – streng dienstlich natürlich. Lisi Xie, eine chinesische Biotechnologin, werkt im Labor in Wien-Favoriten. „Ich liebe Pflanzen“, sagt sie. Ohne Lupe oder Mikroskop trennt sie einzelne Pflanzenbestandteile und pflanzt sie in Reagenzgläser. Mittels Invitro-Verfahren sucht sie nach einer zukunftsträchtigen Zuchtmethode. „Wächst die Pflanze im Glas, wäre das eine enorme Stromkosten-Ersparnis. Und natürlich bräuchten wir dann deutlich weniger Platz.“
Damit wäre das Unternehmen auch gerüstet, wenn Cannabis für medizinische Zwecke angebaut werden kann: „Wir hätten dann sterile Pflanzen.“
Bis dahin erweitert Kristen: Am17. August eröffnet er seine vierte Filiale in der Hosnedlgasse in Wien-Donaustadt. Mit 640 Quadratmetern Verkaufsfläche der größte Hanfshop in Wien. Es ist ein Lieblingsprojekt der SPÖ. Als Teil der Gratis-Nachhilfe gibt es seit Februar Förderprogramme für Schüler an den AHS und Neuen Mittelschulen. 9000 Kinder haben im abgelaufenen Semester die Kurse genutzt, die von den Wiener Volkshochschulen (VHS) durchgeführt werden.
Das lässt sich die Stadt eine stolze Summe kosten. Sie überweist dafür heuer den VHS sieben Millionen Euro. Das kommt den Neos spanisch vor. Laut deren Berechnungen würden schon rund vier Millionen Euro genügen, um die Förderkurse abzugelten. „Was passiert mit dem Rest?“, fragen sich die Neos.
Fakt ist: Die VHS, die zu 25 Prozent der Stadt und zu 75 Prozent dem SPÖ-nahen Verband Wiener Volksbildung gehören, hatten schon wirtschaftlich rosigere Zeiten. 2014 schloss man mit einem Bilanzverlust von rund 2,8 Mio. Euro ab – und das, obwohl in den Jahren davor das Kontrollamt dringend Einsparungen und Neustrukturierungen empfohlen hatte. Für die nächsten zehn Jahre besteht laut internen Papieren ein Investitionsbedarf von rund 70 Mio. Euro.
„Günstlinge versorgen“
Da kam die Einführung GratisNachhilfe gerade recht. Dient ihre großzügige Finanzierung am Ende dazu, die Finanzlöcher in der VHS zu stopfen? „Wir sehen auch hier, dass es den roten Politikern nur darum geht, parteinahe Unternehmen und Günstlinge zu versorgen“, kritisiert die Neos- Beate Meinl-Reisinger Neos-Spitzenkandidatin Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger. „Eine an sich gute Sache wird dazu missbraucht, eine aufgeblähte Struktur zu finanzieren, anstatt die Zukunft dieser Institution neu zu überlegen.“
Im Büro von Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch weist man die Vorwürfe zurück. „Als die Mittel beschlossen wurden, war noch nicht klar, wie hoch die Nachfrage sein wird“, sagt ein Sprecher. Dementiert wird die Neos-Berechnung aber nicht.
Die VHS würden bis Herbst ihre Leistungen abrechnen. Der Evaluierungsausschuss entscheide dann, was mit übrig gebliebenen Geldern passiert. „Es besteht Interesse, dass sie in die VHSInitiative Erwachsenenbildung f ließen, bei der der Pflichtschulabschluss nachgeholt werden kann“, sagt ein Sprecher. „Theoretisch kann das Geld aber auch wieder an die Stadt zurückfließen.“