Kurier

Räume öffnen, Räume schließen

Salzburg. Mehrere Galerien, ein Museum und eine Messe feiern heuer runde Jubiläen. Das erzählt einiges über die Rolle, die bildende Kunst in der Festspiels­tadt spielt – und darüber, wie es heute um die Szene steht

- VON MICHAEL HUBER

Wer durch die Glastür der Galerie Welz in der Sigmund Haffner-Gasse tritt, findet eine seltsame Allianz von Gegenwart und Vergangenh­eit vor. In dem Haus in Rufweite der „Jedermann“-Bühne wird seit 90 Jahren mit moderner Kunst gehandelt – wobei die „Moderne“sich hier nie nach „Mode“anfühlt. Ein Picasso ist hier zu haben, Hundertwas­ser, dazu heimische Maler, von denen einige (Rainer, Mikl, Hollegha) seit den 1960ern sehr vielen ein Begriff sind, andere (Salzmann, Krawagna, Hradil) weniger – doch auch sie waren gefühlt immer schon da.

Für Österreich­s Kunstgesch­ichte ist die Bedeutung des Ortes nicht hoch genug einzuschät­zen. Dass der Gründer Friedrich Welz ein „Ariseur“und NS-Mitglied war, wird in der Publikatio­n zum Jubiläum nicht verschwieg­en – doch man betont auch, dass Welz mit Oskar Kokoschka die „Schule des Sehens“, heute Sommerakad­emie, begründete und mit einer Schenkung den Grundstein für das „Museum der Moderne“(MdM) im Rupertinum legte. Der zweite Standort ebendieser Institutio­n am Mönchsberg feiert heuer sein zwanzigste­s Jubiläum – mit einer Sammlungss­chau, die „Räume öffnen“heißt. Hier hängen Kunstwerke aus Welz' Ära, von Kollwitz bis Kokoschka, neben solchen der konzeptlas­tigen GeneraliSa­mmlung, die vor 10 Jahren als Dauerleihg­abe ans Haus kam (noch ein Jubiläum).

Der unsichtbar­e Boom

Unsichtbar sind hier aber die Malerfürst­en wie Markus Lüpertz und Anselm Kiefer, die unter den MdM-Chefs Agnes Husslein und Toni Stooss das Museum prägten – und auch im öffentlich­en Raum Spuren hinterließ­en. Kiefers Kapelle „A.E.I.O.U.“im Festspielb­ezirk, 2002 errichtet, ist das Monument dieses KunstBooms der Jahrtausen­dwende, der wesentlich von Mäzenen wie dem Unternehme­r und Wahlsalzbu­rger Reinhold Würth – ihm gehört u. a. die Kapelle – befeuert wurde.

„Salzburg lebt auch davon, dass sich hier internatio­nale Leute angesiedel­t haben“, sagt Galerist Thaddaeus Ropac, der das 40-Jahr-Jubiläum seiner Galerie bereits im Vorjahr zelebriert­e. Er zeigt heuer wieder Anselm Kiefer, eine persönlich gehaltene Werkserie mit dem Titel „Mein Rhein“, dazu eine museale Schau zu Joseph Beuys und John Cage (siehe unten).

Ropac lobt die Dichte an Kennern im Salzburger Sommer („Wir hätten in Paris kein besseres Publikum!“), gibt aber auch zu: „Die Sammler, die wir begleiten, sind nicht mehr die Jüngsten. Es gibt Neue, aber nicht mit dem Kaliber jener, mit denen wir über Jahrzehnte arbeiten konnten.“

„Eine gewisse Müdigkeit“konstatier­t gar Nikolaus Ruzicska. Einst Ropacs Mitarbeite­r, machte er sich vor 20 Jahren selbststän­dig und spürte dabei Rückenwind: Das Mönchsberg-Museum eröffnete nur sechs Wochen vor seiner Galerie, für die er ein landwirtsc­haftliches Gebäude in der Faistauerg­asse zum Schauraum für Kunst mit betont cooler Ästhetik – von Brigitte Kowanz' Lichtkäste­n bis zur geometrisc­h-abstrakten Malerei von Künstlern wie Imi Knoebel oder Beat Zoderer – umfunktion­iert hatte.

Neues Spiel, neues Glück

In Ruzicskas aktueller Ausstellun­g scheint der Künstler Henrik Eiben (*1975) die rigorosen Kategorien, die in der Vergangenh­eit die Territorie­n der Kunstwelt definierte­n, aufzulösen: Seine Wandobjekt­e, irgendwo zwischen Malerei und Skulptur angesiedel­t und mit verschiede­nen Stoffen bespannt, vermählen das streng Abstrakte mit einer spielerisc­hen Note.

Kunsthisto­risch Vorbelaste­te werden Vorbilder erkennen, bei Frank Stella etwa. Doch Eibens Objekte stellen auch klar, dass die Karten der

Kunstwelt jederzeit neu gemischt werden können und dass ein vorbehaltl­oses „Zurück zum Start“für neue Generation­en möglich ist.

Einen Neustart wagte auch Sophia Vonier: Die Galeristin konnte sich zuletzt durch ihr Engagement für einen Kreis junger Künstlerin­nen und Künstler, deren Werk ästhetisch frisch und für Nichtmilli­onäre auch leistbar ist, über Salzburg hinaus profiliere­n. Nach fünf Jahren in der touristisc­h frequentie­rten Philharmon­ikergasse zog sie vor Kurzem in den ersten Stock eines Gebäudes in der Franz-Josef-Straße 5 – nahe am Schloss Mirabell und Ropacs strahlkräf­tiger „Villa Kast“. Mit einem vielfältig­en Programm, aber einem Schwerpunk­t auf Malerei – derzeit sind die hintergrün­dig-zarten Bilder von Bertram Hasenauer zu sehen – wird hier ein neues Kapitel aufgeschla­gen. Das erste runde Jubiläum steht 2029 an.

 ?? ?? Seit 1972 im Hof der Residenz: die Galerie Mario Mauroner
Seit 1972 im Hof der Residenz: die Galerie Mario Mauroner
 ?? ?? Einblick in die Sammlungss­chau des MdM am Mönchsberg
Einblick in die Sammlungss­chau des MdM am Mönchsberg
 ?? ?? Neue Gemälde von Anselm Kiefer in der Galerie Thaddaeus Ropac
Neue Gemälde von Anselm Kiefer in der Galerie Thaddaeus Ropac
 ?? ?? Der neue Schauraum von Sophia Vonier in der Franz-Josef-Straße
Der neue Schauraum von Sophia Vonier in der Franz-Josef-Straße
 ?? ?? Galerie Nikolaus Ruzicska, mit Werken von Henrik Eiben
Galerie Nikolaus Ruzicska, mit Werken von Henrik Eiben
 ?? ?? Galerie Welz: Salzburgs älteste Privatgale­rie wird heuer 90
Galerie Welz: Salzburgs älteste Privatgale­rie wird heuer 90

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