Kein „Smart Meter“– kein Strom: Streit um Zählertausch vor Europäischem Gerichtshof
Kunde verweigerte Umrüstung: Netzbetreiber schaltete Strom ab
NÖ/Steiermark. Ernst Pöllibauer ist fassungslos. Die Feistritzwerke haben der 83jährigen Schwiegermutter des Steirers und deren Schwester (92) den Strom abgeschaltet.
Ganz überraschend kam der Schritt allerdings nicht. Denn Pöllibauer verweigert im Haus strikt die Umstellung vom analogen auf einen digitalen Stromzähler, den sogenannten „Smart Meter“. Anwalt Gottfried Forsthuber beantragte ein Schlichtungsverfahren vor der Regulierungsbehörde E-Control und bei Gericht eine einstweilige Verfügung, forderte den Netzbetreiber schriftlich zur Unterlassung auf. Vergeblich.
„Auftrag zu erfüllen“
Erich Rybar, Geschäftsführer der Feistritzwerke, bedauert den Fall. „Wir haben lang Überzeugungsarbeit geleistet, jetzt sind wir im Finale der Zählerumstellung. Bis zum Ende des Jahres müssen wir laut gesetzlichem Auftrag mindestens 95 Prozent ausgerollt haben“, sagt er. Man halte sich „strikt an alle Vorgaben“. Der Smart Meter habe „nichts mit Überwachung zu tun oder sendet Strahlung aus, vor der man sich schützen muss“. Bei insgesamt 55.000 Zählpunkten im Versorgungsgebiet seien nur drei abgeschaltet worden. Und Rybar stellt klar: „Das werden wir auch nicht ändern, weil wir einen Auftrag zu erfüllen haben.“
Anwalt Forsthuber vertritt rund 60 weitere Betroffene. „17 Verfahren sind gerichtsanhängig“, berichtet er. „Österreich ignoriert das Wahlrecht der Stromkunden. Welche Datenschutzbestimmungen anzuwenden sind, ist unklar. Auf elektrosensible Menschen wird keine Rücksicht genommen.“
Nach einer Entscheidung des Landesgerichtes St. Pölten prüft nun der Europäische Gerichtshof den Fall. Anlass dafür war die Niederösterreicherin Roswitha Vizvary (64). Sie beharrt ebenfalls auf ihrem analogen Stromzähler. „Bis auf Weiteres kann sich jeder Kunde, der vom Netzbetreiber geklagt wird, auf das laufende Verfahren berufen“, sind sie und Forsthuber überzeugt.
„Keine Kontrolle“
Vizvary begründet: „Internet und Handy kann ich abdrehen, den Smart Meter kann ich nicht kontrollieren.“Auch gebe es Bedenken,
dass ein zu hoher Stromverbrauch aufgezeichnet werde.
Beim Netzbetreiber Netz NÖ sieht man die rechtliche Lage ganz anders. „Wir haben versucht, den Roll-out so kundenfreundlich wie möglich zu gestalten. Auch für jene Personen, die gegen den Einsatz der neuen Zählertechnologie sind. Jedoch unterliegen wir gesetzlichen Bestimmungen, an die wir uns halten müssen. Andernfalls drohen Strafen bis 75.000 Euro“, sagt Sprecher Michael Kovarik. Daher sehe man, wenn mehrmalige Versuche, den Zähler zu tauschen scheitern, keine andere Möglichkeit, als „die vom Gesetzgeber vorgesehenen Schritte einzuleiten“. Österreichische Höchstgerichte hätten „die Vorgehensweise der Netzbetreiber bestätigt“.
Mit über 830.000 eingebauten Zählern – mehr als 99 Prozent – sei der Wechsel in Niederösterreich nahezu abgeschlossen.