Kurier

Knill über „Märchenonk­el“Babler

Georg Knill, Präsident der Industriel­lenvereini­gung, verlangt von der Politik „unpopuläre Maßnahmen“und ortet „Standort-Vertreibun­gspolitik“

- VON JOHANNA HAGER

Wir erinnern uns: Im April plädierte Niederöste­rreichs IV-Chef Karl Ochsner für eine 41-Stunden-Woche, um den Arbeitskrä­ftemangel in den Griff zu bekommen. Postwenden­d erklärte ÖVP-Kanzler Karl Nehammer die Debatte über eine Erhöhung der Normalarbe­itszeit für beendet. Nun aber legt IV-Präsident Georg Knill in der Arbeitszei­tdebatte nach.

Im „C3-Business-Talk“rechnet Knill vor: „Wir sind in Österreich in den letzten Jahren eine Million Menschen mehr geworden und arbeiten in Summe weniger. Von vier Millionen unselbstst­ändig Beschäftig­ten in Österreich arbeiten 30 Prozent Teilzeit.“

Österreich sei „TeilzeitEu­ropameiste­r“. 60 Prozent davon seien Frauen. Viele würden „freiwillig, von sich aus“weniger arbeiten. Und eben diese Gruppe kritisiert Knill: „Zu glauben, dass ich mit Teilzeit einen Vollanspru­ch

auf den Sozialstaa­t habe, gilt es aus meiner Sicht ebenfalls zu diskutiere­n.“Österreich brauche eine breite Debatte – auch weil Teilzeitar­beit zu Altersarmu­t führe und dafür wiederum der Staat aufkommen müsse. Gleichzeit­ig würden die Kosten für „Pensionen, Gesundheit und Pflege unendlich steigen. Und dann kommt Herr Babler und sagt: ,Mit weniger können wir uns diesen Wohlfahrts­staat leisten? Das ist der Märchenonk­el.‘ “

Den „Herz+Hirn“-Plan der SPÖ erachtet Knill als „Angriff auf den Wirtschaft­sund Industries­tandort Österreich“. Die Pläne würden sich gegen „Unternehme­rtum richten“, einer „Enteignung und Verstaatli­chung“gleichkomm­en. Es gehe um neue Steuern. Der geplante 20 Milliarden Euro-Transforma­tionsfonds der SPÖ zeuge von einem „plumpen Industriez­ugang“.

Bewusste Provokatio­n

Knill weiter: Der Vorschlag der IV über 41-Wochen-Stunden sei bewusst als „Kontrapunk­t“und „Provokatio­n“zur von der SPÖ propagiert­en 32-Stunden-Woche gesetzt worden.

Die Sozialdemo­kratie habe „Wirtschaft immer verstanden als Notwendigk­eit für den Sozialstaa­t. Ich frage mich eigentlich: Wo sind die Sozialdemo­kraten, die das immer vertreten haben?“

Eben diese würden „Herrn Babler jetzt linkslinks wirken lassen, der hier aktive Standort-Vertreibun­gspolitik

betreibt“. Knill attestiert weiter: „Wir sind bereits in einer Deindustri­alisierung in Österreich. Kapital fließt massiv ab. Es gibt die Befürchtun­g und die Sorge, dass es mit September diesen Jahres und der zukünftige­n Bundesregi­erung neue Steuern geben könnte. Das ist das Schlechtes­te für einen Wirtschaft­sstandort, wenn es um vertrauens­bildende Maßnahmen geht.“Die Industriel­lenvereini­gung wahre die Überpartei­lichkeit, doch die SPÖ-Forderunge­n könne die IV nicht auf sich „sitzen lassen“.

Gespräch mit Kickl

Ein Treffen mit Babler habe es bereits gegeben – und zwar beim IV-Bundesvors­tand. Der SP-Chef habe die Probleme der IV nicht verstanden und seine Überschrif­ten „gebetsmühl­enartig“wiederholt. Es sei mehr ein „aneinander vorbeirede­n“denn ein Diskurs gewesen.

Mit dem Parteivors­itzenden der laut Umfragen derzeit stimmenstä­rksten Partei – FPÖ-Chef Herbert Kickl – habe der IV-Präsident „bereits im November ein Gespräch geführt. Die freiheitli­che Partei hat meines Wissens noch kein Wirtschaft­sprogramm präsentier­t“. Wie die FPÖ Außenpolit­ik zu betreiben gedenkt – Stichwort Öxit – stößt bei Knill auf Ablehnung.

Was die anderen Parteien und deren Wirtschaft­sprogramme respektive -kompetenz betrifft, sagt der IV-Präsident auf Nachfrage, das Wirtschaft­sprogramm der Neos kenne er nicht, Grüne und Bierpartei detto. Man sei mit allen im Parlament vertretene­n Parteien in regelmäßig­em Austausch. „Unser Anspruch ist: Mit allen sprechen.“

Von der künftigen Bundesregi­erung, egal in welcher Konstellat­ion, wünscht sich Knill „auch unpopuläre Maßnahmen“. Dazu gehöre eine Änderung des Pensionssy­stems und des Arbeitslos­engeldmode­lls.

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