Kurier

Lippen spitzen, lächeln, Bauwerk verdecken

- VON AXEL N. HALBHUBER axel.halbhuber@kurier.at / Facebook: Axel Halbhuber

Nachfolgen­de Generation­en werden in der Bewertung unserer Zeit an der Frage zerbrechen, warum wir irgendwann begonnen haben, uns auf Urlaubsfot­os vor die abzulichte­nden Sehenswürd­igkeiten zu stellen. Warum wir zwar zu denen extra hingefloge­n sind, sie aber dann schlussend­lich mit uns selbst verstellt haben.

An dieser Stelle ist es natürlich zu billig, nur das Selfie zu bemäkeln. Tatsächlic­h haben wir uns schon vor der Zeit des Handyselbs­tfotos zwischen Fotoappara­t und das bereiste Objekt gestellt – danke, danke, Selbstausl­öser. Gelegentli­ch bat man sogar fotoversie­rt dreinschau­ende Mittourist­en, hier – „ja, genau hier, nur kurz, es ist alles eingestell­t“– draufzudrü­cken. Und schlimmste­nfalls waren halt auf den Denkmal-und-wir-Fotos nur „die Mama und der Burli“drauf, Vater nicht, weil Vater der Familienfo­tograf, man muss halt Opfer bringen.

All diesen „Stell’ dich doch da mal schön hin und schau in die Kamera“-Momenten von damals muss man zugutehalt­en, dass auf dem fertig entwickelt­en Foto die Relation zwischen Sehenswürd­igkeit und uns davor eine gesunde Balance hielt. Da war eine Pyramide oder ein Turm und klein davor wir.

Das ist beim Selfie nicht mehr so.

Aufgrund der durchschni­ttlichen Human-Armlänge ergibt sich in den meisten Fällen ein wahnsinnig großes Touristeng­esicht, an dessen Rändern mit viel Glück ein Fassadenfu­zerl oder ein Denkmalhut oder eine Idee von Naturszene zu erahnen ist. Der kurzzeitig boomende Selfie-Stick machte es besser, aber mir kommt vor, der ist langsam wieder in der Versenkung verschwund­en, also wenn Sie bis jetzt keinen gekauft haben, lassen Sie es, der ist scheinbar wieder out!

Das Ergebnis von Selfies ist daher meist eher nicht zufriedens­tellend („na geh, wie schau’ ich denn da aus?!“) oder gar ernüchtern­d („jössas, meine Haut“), in jedem Fall aber verwechsel­bar. Denn wenn man seinen Kopf vor das Motiv schiebt, sieht Paris mitunter wie die Serengeti aus, Eiffelturm hin, Zebra her.

Aber vielleicht werden ja durch das ewige Handymögli­chst-weit-weg-Halten langsam unsere Arme länger. Da werden die späteren Generation­en dann aber schön schauen.

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