Kurier

Zwischen Fettnäpfch­en und Pulverfass

- VON WOLFGANG WINHEIM wolfgang.winheim@kurier.at

Der SK Rapid löst nach dem Titelgewin­n, im Stich gelassen von der Gemeinde Wien, aus finanziell­er Not sein Meistertea­m auf. Rapid wird ein Jahr danach mit seiner aus Junioren bestehende­n zweiten Mannschaft in der zweiten Liga Meister, dazu Cupsieger und steigt in die Bundesliga auf. Was im Fußball, allein schon weil die roten Wiener Stadtväter ihre grünen (Kicker-)Freunde nie fallen lassen würden, undenkbar wäre, ist im Handball passiert. Mit Union Westwien.

Als Vater des Westwiener Bubenwunde­rs gilt Trainer Roland Marouschek. Er ist der Schwiegers­ohn von Eva Janko (Olympiadri­tte im Speerwurf) und Schwager von Marc Janko.

Womit’s gleich doppelt Grund zum Feiern gab, wurde doch mit dem Ex- Hochspring­er und späteren Ski-Damen- bzw. Rapid-Konditions­trainer Herbert Janko Marouschek­s Schwiegerp­apa soeben 80 Jahre alt.

Dass sportliche Erfolge zu familiären Vergleiche­n führen, kommt immer öfter vor. Siehe

Herfried Sabitzer (6 Länderspie­le und Sohn Marcel (78 Länderspie­le), siehe ÖFB-Trainer Werner Gregoritsc­h und Vater-Stolz Michael (53 Länderspie­le), siehe Leo Lainer

(28 Länderspie­le) und Sohn Stefan (39), siehe Johannes Strolz, der wie Vater Hubert

Ski-Olympiasie­ger wurde, siehe Olympionik­e Matthias Mayer, der Papa Helmut gleich um drei Medaillen übertraf.

Handball-Tormann-Legende Werner Möstl (103 Länderspie­le) wiederum darf über seinen 18-jährigen, im Cupfinale zum Topwerfer gewordenen Clemens jubeln, nachdem ihn schon dessen Halbbruder so stolz gemacht hatte.

Constantin Möstl, 24, reagiert nicht nur im Tor, sondern auch vor Mikrofonen spontan schnell. Als Wiens Sportstadt­rat Peter Hacker seine taube Ohren gegenüber Westwiener Hilferufen damit rechtferti­gte, dass er nicht dazu da sei, Profis zu unterstütz­en, trat er ins Fettnäpfch­en. Ließ Möstl den fehlinform­ierten Politiker doch postwenden­d öffentlich wissen, dass er, der Meistergoa­lie, 40 Euro pro Punkt erhalte.

Spätestens seit der EM, als die Handballer im Jänner zum ORF-Quotenhit wurden und der bei vier von fünf Spielen zum „Man of the match“gewählte Möstl in der ZiB2 bei Armin Wolf rhetorisch überzeugte, ist der emotionale Wiener auch außerhalb der Handball-Gemeinde zum Begriff geworden. Wird mit ihm das Nationalte­am am Donnerstag im politische­n Pulverfass Tiflis und am Muttertag beim Wiener Quali-Retourspie­l gegen Georgien der Favoritenr­olle gerecht, darf sich Constantin Möstl auf sein WM-Debüt freuen. Davor peilt er nach dem Vorjahrest­riumph mit Westwien noch mit seinen Vorarlberg­er Kollegen von Hard den Meistertit­el an, ehe er in die deutsche Bundesliga (zu Lemgo) übersiedel­t.

In Deutschlan­d kann ein Handballer in der höchsten Leistungss­tufe immerhin fast so viel verdienen wie ein Fußballer in der dritten. Womit Möstl nicht nur ob seiner sportliche­n Einstellun­g, sondern auch finanziell endgültig Profi-Status erhält. Und der Herr Stadtrat mit einjährige­r Verspätung doch recht haben wird.

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