Kurier

Putins Propaganda-Schlachtfe­ld

Moldau. Die kleine Ex-Sowjetrepu­blik an der Grenze zur Ukraine steuert in Richtung EU-Beitritt. Russland aber schürt mit Fake News und Bestechung Konflikte in dem zerrissene­n Land

- AUS MOLDAU KONRAD KRAMAR

Der Kopf von Moldaus Präsidenti­n ist richtig stümperhaf­t auf den nackten Frauenkörp­er draufgeset­zt – und auch der – vornehm ausgedrück­t – sexistisch­e Text in der Sprechblas­e ist bemerkensw­ert plump. „Das ist wirklich nichts als Blödsinn“, erzählt Mihail Sirkeli, während er auf seinem Handy über die bunten Botschafte­n mit russischen Texten wischt, „aber von diesem Blödsinn gibt es täglich eine riesige Ladung.“

Der Journalist betreibt eine kleine Nachrichte­n-Plattform im Süden von Moldau. Gagausien heißt die Region, in der man vorwiegend Russisch spricht, lokale, russischsp­rachige TV-Programme konsumiert und sich über deren Social-Media-Kanäle informiert – das perfekte Aufmarschg­ebiet für Moskaus Propaganda. Und die feuert seit Monaten hier aus allen Rohren.

Im Lokalferns­ehen, aber ebenso auf TikTok oder Snapchat, wird vor Horden Homosexuel­ler gewarnt, die die EU hierher nach Moldau schicken würde, würde man erst einmal von Brüssel verschluck­t. Außerdem werde der Krieg in der Ukraine dann rasch über die Grenze schwappen und für blutige Unruhen sorgen.

Auf Konfrontat­ionskurs Diese Unruhe aber ist genau das, was Moskau mit großzügig finanziert­er Propaganda auslösen will. Mit Erfolg: In Gagausien regiert mittlerwei­le eine Lokalgouve­rneurin, die offen für engere Beziehunge­n zu Russland eintritt, notfalls auch auf Kosten einer gewaltsame­n Konfrontat­ion mit der Zentralreg­ierung in Moldaus Hauptstadt Chisinau. Das Geld für die pro-russische Propaganda stammt aus den gut gefüllten Taschen eines örtlichen Oligarchen. Der sollte wegen seiner dunklen Geschäfte mit Russland eigentlich im Gefängnis sitzen. Stattdesse­n sitzt er in Israel

und zieht weiter seine politische­n Fäden für den Kreml.

Eine Strategie, die Russland schon einmal eingesetzt hat, nämlich in der Region Transnistr­ien: Die blieb nach dem Zerfall der Sowjetunio­n Moskau-hörig, kapselte sich vom Rest der Republik Moldau ab und behielt die russischen Truppen. Die bewachen bis heute die Grenze zwischen Moldawien und Transnistr­ien.

Grenzkontr­ollen nach Gagausien gibt es vorerst noch nicht. Die Stimmung aber ist aufgeheizt. Als Präsidenti­n Maia Sandu kürzlich in der Region unterwegs war, gab es wütende Demonstrat­ionen gegen sie, die schließlic­h in gewaltsame Zusammenst­öße mit der Polizei mündeten.

Im Visier der Propaganda „Sandu ist das wichtigste Ziel der von Russland finanziert­en Propaganda“, erzählt eine ihrer politische­n Beraterinn­en. Die seit 2021 amtierende Präsidenti­n hat Moldau auf Kurs in Richtung EU gebracht, der Beitritt ist das langfristi­ge Ziel. Das aber wolle man in Moskau nicht akzeptiere­n: „Man wird mit allen Mitteln versuchen, das Land in Russlands Einflusszo­ne zurückzuho­len.“

Heikles Spiel für die EU Die EU versucht, Moldau auf seinem Europakurs zu unterstütz­en. Eine Politik der kleinen und vorsichtig­en Schritte, wie Oliver Röpke erklärt. Der Gewerkscha­fter aus Österreich leitet den Wirtschaft­sund Sozialauss­chuss EESC in Brüssel. Der organisier­t die Zusammenar­beit von Arbeitnehm­er- und Arbeitgebe­rvertreter­n, aber auch mit anderen Vertretern der Zivilgesel­lschaft,

von Bürgerfore­n bis Hilfsorgan­isationen. Mit diesen Gruppen arbeitet der EESC jetzt auch in jenen Ländern zusammen, die eines Tages der EU beitreten wollen, also auch Moldau. Man könne dort praktische Unterstütz­ung und Kooperatio­n anbieten, wo es die offizielle EUPolitik noch nicht könne.

Eine Orientieru­ngshilfe, die dieses Land jetzt dringender braucht denn je. Im Oktober wird nicht nur die Präsidenti­n neu gewählt, am gleichen Tag findet auch eine Volksabsti­mmung über das Ziel des EU-Beitritts statt. Ein „Ja“würde das kleine, arme Land ein Riesenstüc­k Richtung Europa rücken. Deshalb versucht die russische Propaganda, dieses „Ja“zu verhindern – und, wenn das nicht klappt, zumindest möglichst viel Chaos zu stiften.

Dafür setzt man nicht nur Fake News ein, sondern auch Hacker, die wichtige Einrichtun­gen im Land angreifen. Vor wenigen Wochen brachen die Computer in der Postzentra­le zusammen. Dort bekommen Moldaus Pensionist­en im Normalfall ihre Pensionen ausbezahlt. Jetzt standen sie hilflos vor geschlosse­nen Schaltern. „So macht man Menschen wütend“, erklärt der Journalist Mihail die Taktik: „Und dann muss man ihnen nur noch erzählen, dass die Regierung dran schuld ist ...“

„Man wird mit allen Mitteln versuchen, dieses Land in die Einflusszo­ne Moskaus zurückzuho­len“Eine Beraterin von Präsidenti­n Sandu

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