Ein Papst, der viele Bälle in die Luft wirft
Franziskus’ größte Anhänger sind heute am meisten enttäuscht
Mit seiner schlichten, unprätentiösen Art hat Papst Franziskus von seinem ersten Auftritt weg viele Menschen für sich eingenommen. Die gleich zu Beginn des Pontifikats gesetzten symbolischen Akzente (Kleidung, Wohnung, Auto etc.), die schnörkellose Sprache, seine wiederholten scharfen Äußerungen gegen jedweden Klerikalismus, gegen Abgehobenheit und Selbstgefälligkeit geweihter Amtsträger – all das wurde generell als neuer Stil breit rezipiert. Und hat gigantische Reformerwartungen/-hoffnungen geweckt.
All jene, welche die Zeit der beiden, in Wahrheit sehr unterschiedlichen Vorgängerpäpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. als kirchliche Eiszeit erlebt und sich daran habituell abgearbeitet hatten, witterten Morgenluft. Erste Irritationen über die eine oder andere Aussage (etwa über den Teufel oder das Schlagen von Kindern) versuchte man noch mit Hinweis auf das lateinamerikanische Temperament bzw. den anderen kulturellen Hintergrund des Pontifex zu relativieren. Doch im Lauf der Jahre wurde immer deutlicher, dass auch dieser Papst in den zentralen Punkten der innerkirchlichen „Reformagenda“nichts ändern würde.
Von daher ist es wenig überraschend, dass heute, zehn Jahre nach seiner Wahl, die glühendsten Anhänger Franziskus’ am meisten enttäuscht sind: Weder bei den Zulassungsbedingungen zum Priestertum, noch bei den unter dem Kampfbegriff „katholische Sexualmoral“firmierenden Themen weicht der 266. Bischof von Rom substanziell von Lehre und Tradition der Kirche ab.
Genau darum aber, um diese sogenannten „heißen Eisen“, kreist seit Jahrzehnten die Debatte, die sich zuletzt im „Synodalen Weg“der deutschen Kirche nochmals mit ungeahnter Sprengkraft verdichtet hatte. Wozu es freilich seitens des Vatikans und auch des Papstes persönlich klare No-go-Signale gab.
Linke Polit-Agenda
Auf noch viel mehr Resonanz, weit über kirchliche Kreise hinaus, stößt seit jeher das „politische“Programm von Franziskus. Hier sind zunächst seine Positionen zu sozioökonomischen Fragen zu nennen, wo eine extrem globalisierungskritische und antimarktwirtschaftliche Haltung zu erkennen ist. Dagegenhalten ließe sich, dass „diese Wirtschaft“eben nicht „tötet“(Franziskus in „Evangelii gaudium“), sondern das effektivste Mittel zur Verbreitung von Wohlstand, Frieden und sozialer Sicherheit ist, das es je gegeben hat.
Sehr exponiert hat sich Franziskus auch in Fragen der Migration. Freilich bleibt man ratlos zurück, wenn der Papst im Zusammenhang mit der Migrationsthematik etwa von der „Pflicht“spricht, „das Recht eines jeden Menschen zu respektieren, einen Ort zu finden, an dem er (…) sich auch als Person voll verwirklichen kann“(„Fratelli tutti“). Das macht, zu Ende gedacht, jedwede Migrationspolitik obsolet.
Man darf indes auch als Katholik dem Papst in diesen Fragen widersprechen. Was nicht zur Disposition stehen kann, ist das Maßnehmen an der Würde des Menschen. Wie diese bestmöglich zu sichern ist, ist Sache der Politik. Da gibt es nicht die guten (christlichen) und die falschen (unchristlichen) Antworten.
Dem könnte Franziskus vermutlich selbst sogar zustimmen. Vieles in diesem Pontifikat bleibt im Vagen, Ungefähren. Dieser Papst stößt dieses und jenes an, wirft Bälle in die Luft, um dann zu sehen, was daraus wird. Der von ihm initiierte „Synodale Prozess“(nicht mit dem deutschen „Weg“zu verwechseln) ist dafür das beste Beispiel: ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Franziskus würde vielleicht sagen: Das ist das Risiko des Glaubens an sich.