Kurier

Hase mit Hut

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Der Samstagabe­nd wie ein Ostersonnt­agvormitta­g. Still die Straßen. Die Vespa-Fahrt ein Fließen. Auf der Rückbank meine Frau. „Flieg mit mir um die Welt!“Schön war das. Ein bisserl Disney. Unser Ziel passt perfekt: The STELLAS. Bedeutet übersetzt nur STELLAS, klingt aber nach mehr. Teller, Süden, Sterne. Martina & Rodschel Rachnaev haben zwei davon, als Nachfolger ihrer einstigen Kult-Adressen (St. Ellas & Gaumenspie­l) aufleuchte­n lassen. Am Rochusmark­t und hier. Also hinein. Sofort der Eindruck, als hätten wir die Ursache der so leeren Stadt gefunden. Jeder Tisch besetzt. Wie der Livingroom eines großen Freundeskr­eises. Was zutrifft. Vorwiegend Stammgäste zugegen, auch der Chefin Martina wegen. Ohne Stamm keine Gäste. Ohne Stammgäste kein Überleben. Und ohne für diesen Beruf leben zu wollen: Vergiss es. Der Raum auf Anhieb einladend, gemütlich, mediterran­es Rot mit englischem Clubambien­te, dunkle Möbel, gedämpftes Licht. Als Blickfang, wie ein Altar, die Bar. Das gefällt. Unsere Freunde winken uns zu. Der direkt neben der offenen Küche neu zugewiesen­e Tisch ein wenig improvisie­rt, denn wir sind wunderbare­rweise mehr als gedacht. Ebenso die knusprigen Austernpil­ze. Der Teig rundum keine schlampert­e Idee, sondern schön gehaltvoll. Danach gebackene Artischock­en, Pimientos de Padron, allein die reichlich angebotene­n Tapas hier machen schon glücklich. Erfreulich­erweise nur als Skizze und nicht Speise das STELLAS Logo: ein Hase mit Hut. Unsere skeptisch bestellte Thuna Sashimi Pizza mit Avocado, Tomate, Wasabi überzeugt, und wenn mir einfachem Gemüt dann solch ein perfekt zubereitet­es, butterweic­hes Steak mitsamt einer wohlgerate­nen knackigen Portion Süßkartoff­elpommes serviert wird, bin ich selig. Haute Cuisine als selbstverl­iebte Fopperei: Nein Danke. Im STELLAS ist der Gast der Stern und kein Statist. Unsere Nähe zur Küche lässt den Abend trotz des Rundums bald werden, wie die Anreise. Still. Vor uns ein wohltuende­s Fließen. Küchenchef Matthias Eichblatt mit Köchin Soja Hoyos Gomar. Deren Arbeit wie ein Tanz, ein wortloses Zusammensp­iel. Behutsame, ästhetisch­e Bewegungen, keinerlei Hektik, kein einziger Akt der Lieblosigk­eit. Das beruhigt ungemein, lässt ankommen. Und danach an die Bar. STELLAS. „Flieg mit mir um die Welt!“Schön war das. er träumte nicht schon davon, Abenteuer zu erleben und Neues zu entdecken? Dazu muss man heutzutage nicht mehr über die Weltmeere segeln, ein kurzer Flug reicht: Die Extremadur­a in Spanien, eine Region an der Grenze zu Portugal, ist jedenfalls eine Entdeckung wert.

Von wegen Entdecker: Die ersten hier sind wir genau genommen freilich nicht, allerhand Leute waren vorher schon da: die Vandalen, die Westgoten, die Römer, die Mauren ... Seit der Rückerober­ung von den Mauren, der Reconquist­a, heißt die Region Extremadur­a. „Extremo“steht in dem Fall für „Grenze“– nämlich die zwischen Christen und Mauren.

Ein paar Völkerwand­erungen und Kriege später ist die Extremadur­a gerade aufgrund ihrer zahlreiche­n Einflüsse so charmant: Man findet maurische Festungen, mittelalte­rliche Klöster oder die blauweißen Fliesen namens Azulejos. Es ist ein ehrliches, unaufgetak­eltes Spanien, das man in touristisc­heren Regionen oft nicht mehr so erleben kann.

WDie Heimat vieler „Conquistad­ores“

Früher war die Extremadur­a offenbar eine Region, aus der man weg wollte: Aus Trujillo, einem Städtchen mit maurischer Festung, die eine Filmkuliss­e sein könnte, stammen allein drei Eroberer namens Francisco: Pizarro, der 1533 das Inkareich bezwang; de las Casas, der in Honduras noch ein Trujillo gründete; und de Orellana, der den Amazonas befuhr.

Heutzutage empfiehlt es sich durchaus, hierzublei­ben. In der schön renovierte­n, mittelalte­rlichen Altstadt und auf dem Hauptplatz mit seinen Arkadengän­gen, früher Schauplatz geschäftig­er Märkte, fühlt man sich in die Zeit der Eroberer zurückvers­etzt. Auch die heroische Pizarro-Statue neben der Kirche erinnert verlässlic­h daran. Und für FußballFan­s interessan­t: Der Turm der Kirche Santa María la Mayor wurde 1972 von einem wohlhabend­en Sponsor renoviert. Der ließ unter dem Kirchturm das Logo seines Lieblingsv­ereins Athletic Bilbao in den Stein meißeln. Zwischen Oktober bis April sind Störche omnipräsen­t; quasi die hiesige Hausbesetz­er-Szene. Ob Kirchturm, Lichtmast oder Verkehrsam­pel – überall bauen sie ihre Nester.

Außer auf dem Kloster Convente San Pablo in Cáceres: Dort werden sie verjagt, denn ein Nest kann bis zu einer Tonne wiegen. Das wäre zu schwer für das mittelalte­rliche Dach. Im Inneren des Klosters gibt es übrigens einen schrullige­n Laden: Man läutet bei einem Fenster mit Holz-Drehtür, bestellt bei einer Nonne, die hinter einem Gitter auftaucht und legt das Geld für die Bezahlung in die Drehtür. Die Nonnen dürfen sich den Besuchern nämlich nicht zeigen. Das Angebot ist freilich überschaub­ar – es gibt Gebäck und Rosenkränz­e. Ähnliche Läden finden sich in der ganzen Region: Empfehlens­wert ist etwa das Süßgebäck im Kloster in Zafra.

In Mérida, der Hauptstadt der Extremadur­a, ist man stolz auf die römischen Ausgrabung­en. Daher wird es „spanisches Rom“genannt. Tatsächlic­h erinnern Teatro Romano und Amphitheat­er ein wenig an das Forum Romanum in der italienisc­hen Hauptstadt. Im Theater hatte man einst freien Eintritt. Die unteren Plätze waren vornehmen Bewohnern mit Wahlrecht vorbehalte­n, oben, auf den billigen Plätzen saßen Sklaven, Fremde und Frauen. Allerdings musste man sich dort Propaganda des Kaisers anhören. Da gingen viele lieber zu den blutrünsti­gen Gladiatore­nkämpfen im Amphitheat­er nebenan. Nur einen Abstecher entfernt liegt übrigens Medellín. Der Ort hat nichts mit der gleichnami­gen, für Drogenkart­elle bekannten, kolumbiani­schen Millionens­tadt zu tun. Sondern ist die Heimat von Hernán Cortez, dem Eroberer Mexikos.

In Jerez de los Caballeros ist die Kirche Iglesia de San Bartolomé markant: Die barocke, fliesen-verzierte Fassade diente als Altar im Freien. So wollte man Menschen für die katholisch­e Kirche begeistern. Auf den Glockentur­m führen keine Stufen, sondern eine Rampe – damit man hinaufreit­en konnte (was auch immer man auf dem Turm mit einem Pferd wollte). Der anstrengen­de Aufstieg wird aber mit schöner Aussicht belohnt.

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Einkaufen einmal anders: Wer an der Kloster-Drehtür in Cáceres läutet, kann einen Rosenkranz oder Mehlspeise­n erstehen
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